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Die Familie und ihre Zerstörer

Was schief läuft und was anders werden muss – Eine überfällige Debatte

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3.4.2. Die Wirtschaft

Der Kapitalismus basiert[1] vor allem auf individuelle Nutzen­maximierung. Der individuelle Nutzen ist aber leider nicht deckungsgleich mit dem Nutzen für die Gesellschaft als Ganzes. Früher waren Religion und soziale Bindungen geeignete Steuerungsmittel, um den individuellen mit dem gesell­schaft­lichen Nutzen auszu­balancieren. So fand auch der Dorftrottel noch eine sinnvolle Tätigkeit und der Egomane wurde durch die Sozial­gemein­schaft eingebremst. Im modernen Kapitalismus werden hingegen selbst gut ausgebildete Berufsgruppen „freigesetzt“ und als „nicht verwendbar“ aussortiert. Was zählt ist nicht länger der Gemeinsinn, sondern „Geiz ist geil!“, „Was bringt mir das?“ und „Das ist Dein Problem!“.

Das Gefangenen­dilemma beschreibt als soziales Dilemma, wie individuell rationale Entscheidungen zu kollektiv schlechteren Ergebnissen führen können.[2] Lösungen zu diesem Dilemma werden nicht gesucht, weil der damit verbundene Problemkreis öffentlich überhaupt nicht thematisiert wird.

Siehe auch: Wirtschaftspolitik


Während die National­ökonomie vor allem Effizienz und Profit (Return on Investment, Shareholder Value) als Hauptziele verfolgt, stehen bei der Familie die Selbstversorgung (Subsistenz­wirtschaft) und die Sicherung der Lebens­grund­lagen im Vordergrund (Erhalt von Grund und Boden beim freien Bauern, Erhalt der Werkstatt beim Handwerker, Erhalt des Familien­unternehmens beim Mittelstand und Erhalt der Arbeitskraft beim Lohnarbeiter).

Subsistenz­wirt­schaft und die Familie als Wirtschafts­gemeinschaft dürfte die Urform des Wirtschaftens darstellen. Der Eigenanbau und die Herstellung von Lebensmitteln und Konserven sowie Gebrauchs­gegen­ständen aller Art ist eine autonome Wirtschaftsweise und sichert eine unabhängige Lebens­führung. Arbeits­teilung und Arbeits­organisation steigerte die Effizienz, aber auch die Komplexität des Wirtschaftens. Weil Selbst­versorgung und Familien­arbeit nicht am Geld­kreis­lauf angeschlossen sind, gehen diese Leistungen auch nicht in national­ökonomische Berechnungen und Planungen ein. Dies widerspricht allerdings der Ideologie des Geldes und des Wirtschafts­wachstums. Darum wird dies auch bekämpft und zurückgedrängt, immer größere Familien­bereiche werden heraus­gebrochen und „professionalisiert“. So werden beispielsweise Kranken­pflege, Alters­versorgung und Kinder­betreuung immer weniger von den Familien selbst geleistet. Diese Entwicklung führt schrittweise zur Ökonomisierung sämtlicher Lebens­bereiche. Das bedeutet konkret, dass Dienst­leistungen immer weniger auf Bindungen innerhalb Familien beruhen und auf ein „soziales Konto“ verbucht werden und stattdessen auf der Basis von „Geld“ geleistet werden.

Aus der Bindung zwischen Familien­mitgliedern werden Geschäfts­beziehungen zwischen Dienstleister und Kunde. [3]

Mal abgesehen davon, dass dabei soziale Bindungen verloren gehen, entstehen Phänomene wie: ein Familien­mitglied wird professionell von einem Pflegedienst versorgt, während ein anderes Familien­mitglied arbeitslos ist. In einer Familie als Wirtschafts­gemein­schaft bliebe kein Familienmitglied beschäftigungslos, um die Abhängigkeit nach außen klein zu halten. Die Sozialpolitik bläht einerseits die HelferInnen­industrie auf (Alten­pfleger, Kinder­gärtner, usw.), andererseits können innerhalb eines Familien­verbandes mehrere Familien­mitglieder Sozialhilfe beziehen, während andere diese Staats­aufgaben durch hohe Steuern und Sozial­abgaben refinanzieren müssen. Die Gesellschaft wird künstlich getrennt in Transfer­empfänger und Leistungs­träger mit der Staats­bürokratie als Umverteiler dazwischen. So werden die Familien schrittweise um ihre Funktion als Selbstversorger beraubt und zugleich finanziell ausgetrocknet. Damit verlieren sie auch ihre Autonomie und werden zugleich vom Staat abhängig.

Je geringer die Selbst­versorgung, desto abhängiger die Menschen. Sie sind für die Existenz­sicherung auf den Arbeitsmarkt angewiesen, oder auf Sozial­leistungen vom Staat. Aber gerade auf dem Arbeitsmarkt liegt ein weiteres ungelöstes Problem. Da wird beispielsweise eine teure staatliche Infrastruktur für Kinderbetreuung geschaffen, obwohl überhaupt nicht klar ist, ob die Mutter einen Arbeitsstelle bekommt. Die Tatsache, dass eine Cousine oder Tante die Kinderbetreuung auch übernehmen könnte, bleibt gleich ganz außen vor. Das Mantra von der „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ blendet vollkommen aus, dass der technische Fortschritt langfristig dazu führt, dass nur 20 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung ausreichen werden, um die Welt­wirt­schaft in Schwung zu halten. 80 Prozent der Bevölkerung wären demnach arbeitslos und müssten mit „Titty­tainment[4] bei Laune gehalten werden. Konzepte, wie unsere Gesellschaft mit der kommenden Massen­arbeits­losigkeit umgehen soll, gibt es allerdings wenige und weder Politik noch Wirtschaft scheinen ein gesteigertes Interesse daran zu haben, sich den Fragen der Zukunft bereits jetzt zu stellen.[5] (vgl. Wirtschaftspolitik)

Das Wirtschafts­system und seine sich kumulierenden Forderungen an Mobilität und Flexibilität bürdet uns ein kinderloses Nomaden­dasein auf. Eltern-Dasein (und die dazu notwendige Sess­haftig­keit) gehorcht keiner allein ökonomischen Logik. Vollökonomisiert verlernen wir jene sozialen Kompetenzen, die es für das Familienleben braucht.[6]



[1] Neben effizienter Geldsysteme und leistungs­fähiger Produktions­mittel des Industrie­zeit­alters.
[2] Wikipedia: Gefangenendilemma
[3] vgl. Abschnitt Die Verrechtlichung der Beziehungen
[4] Eine moderne Version des römischen „Panem et circenses“ (Brot und Spiele), Tittytainment ist ein Kofferwort bestehend aus Tits (= Ernährung am Busen = Sozialamt) und Entertainment (= Unterhaltung = Spiele).
[5] Von der Finanzkrise in die 20:80 Gesellschaft, Heise am 9. Dezember 2008; „Die Globalisierungsfalle“, Rowohlt 1996, ISBN 3-498-04381-1
[6] Leserbrief vom 15.04.2010 – 15:16 auf die FOCUS-Leserdebatte „Warum bekommen die Deutschen so wenig Kinder?“ vom 11. April 2010