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Männer und Frauen

Die Familie und ihre Zerstörer

Was schief läuft und was anders werden muss – Eine überfällige Debatte

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3.1.1.6. Wirtschaftspolitik

Eine interessante Frage ist, inwieweit Familien- und Wirtschaftspolitik die Familie als Wirtschafts­gemein­schaft berücksichtigt.

Einen weiteren Gedankengang ist die Fragestellung wert, inwieweit Wirtschaft auf der Grundlage einer Wachstums­ideologie in der Zukunft (noch) funktionieren kann.

Dabei scheinen Gleichheit und Wachstum die Zentralbegriffe für die zwei Haupt­ideologien der heutigen Gesellschaft zu sein. Der Gleichheits­gedanke (vertreten durch Sozial­demokratie und die Linken) führt tendentiell zu mehr (staatlich organisierter) Umverteilung und der Wachstums­gedanke (vertreten durch Christdemokraten und Liberalen) zur Ökonomisierung sämtlicher Lebens­bereiche.


zurückDie Familienunternehmen im deutschen Mittelstand

Das wirtschaftliche Rückgrat bildet in Deutschland der Mittelstand, der zum Großteil aus Familien­betrieben besteht. Die große Masse der Arbeitsplätze wird eben nicht von den großen anonymen Aktien­gesell­schaften geschaffen. Das dokumentiert die herausragende Bedeutung, welche die Familie bis heute in der Wirtschaft hat. Die Zerstörung der Familien wird somit nicht ohne negative Auswirkungen auf die Wirtschafts­leistung des Landes bleiben.

Der Feminismus hat jedoch andere Sorgen. So beklagt die feministisch gleich­geschaltete Presse, dass die Nachfolge im Familien­unternehmen Männersache sei.[1] Die Frage, warum Frauen eher die Verantwortung scheuen und lieber leistungs­losen Wohlstand genießen und in die Reiterferien fahren, wird nicht beantwortet. Der Sohn, der seinen Vater schon als Teenager auf Geschäftsreise begleiten muss, wird nicht befragt, ob er das überhaupt will. Das wird unbesehen als Männer­privileg interpretiert. Dabei treten tatsächlich acht Prozent Töchter die Unter­nehmens­nach­folge an. Das dürfte auch ungefähr den Anteil der Frauen in der Gesellschaft ausmachen, die bereit sind Verantwortung zu übernehmen. Während der Sohn seinen Vater schon früh auf Geschäftsreisen begleiten muss, reicht es aus, „wenn die Tochter nachts aus der Disko kommt, zu Papa ins Arbeits­zimmer geht und ihm bei der Arbeit an der Bilanz über die Schulter schaut.“ Die Tochter würde dann in die Rolle der Zuhörerin für den Vater übernehmen und bis zur Nachfolge wäre es dann nur wenige Schritte, meint die Soziologin Bettina Daser. Trotzdem sollen Sohn und Tochter die gleiche Chance haben, den Chefsessel zu wollen.[1]

zurückUnternehmensnachfolge

Es sollte deutlich geworden sein, dass Unter­nehmens­nach­folge im Mittelstand nicht mal eben mit einer Frauenquote oder einem über die Schulter­schauen beim Vater nach einer Diskonacht getan ist. Auch ein Geschäfts­führer, der von außen in das Familien­unter­nehmen eingeführt wird, erreicht nicht die Verbundenheit mit dem Unternehmen, wie es bei einem Familien­nach­folger der Fall wäre, der das Unternehmen schon von Jugend an kennt.

In Deutschland stehen jedes Jahr fast 80.000 Unternehmen vor einer Nach­folge­regelung, die meist mehr oder weniger gut umgesetzt wird. Und wenn kein Nachfolger gefunden wird, dann kommt es durchaus vor, dass selbst wirtschaftlich gesunde mittel­ständische Unternehmen aufgelöst werden.[2] Ist es notwendig zu betonen, dass es hier nicht nur um Selbstverwirklichung, sondern auch um die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands, seiner Innovationskraft und eben auch den Arbeitsplätzen des betroffenen Familien­unter­nehmens geht?

Die Familien haben eben doch eine größere Bedeutung, als sie gemeinhin von der Familien­politik (Gerhard Schröder: „Gedöns“) zugemessen wird. Aber nicht nur im Mittelstand ist Familie wichtig. Wenn man im Fernsehen Berichte über insolvente Familien (der Unterschicht) verfolgt, dann ist unschwer zu erkennen, dass diesen Familien gewisse (betriebs)wirt­schaft­liche Kenntnisse nicht abträglich wären. Nicht wenige Familien verkommen zu reinen Konsum­gemein­schaften, ohne Begriff von einfacher Einnahme- und Ausgaben­rechnung, dazu kommt wenig Phantasie darüber, wie familien­eigene Stärken produktiv umgesetzt werden könnte. Symptomatisch dafür ist beispielsweise, wenn heran­wachsende Kinder nicht wissen, welche Ausbildung sie anstreben sollen oder leichtfertig angefangene Ausbildungen „schmeißen“. Es gibt also genügend Gründe, warum Familien auch außerhalb des Mittelstandes wieder als wirtschaftliche Einheit zu begreifen und dies (neben Selbst­ver­wirklichungs­mantras) ggfs. auch in die Schulbildung einfließen zu lassen.

zurückDie Wirtschaft und die Frauenquote

Den Gleich­stellungs­beauftragten geht es wieder mal nur darum, wie Frauen möglichst leicht an die Rosinen kommen, während ihnen der Unter­nehmens­erfolg – und die damit verbundenen Arbeitsplätze – wenig interessieren. Es ist immer wieder erstaunlich, wie entlarvend feministische Klage­schriften sind, wenn man sie nur genau genug unter die Lupe nimmt. Der Gedanke, dass ein über Väterchens Schulter schauen nach durchlebter launiger Disko-Nacht eventuell nicht ausreichen könnte, damit Töchterchen das Familien­unter­nehmen erfolgreich führen kann, kommt erst gar nicht. Die Über­zeugung, dass es nur an Frauen­quoten fehle, dann würde den „starken“ Frauen schon alles in den Schoß fallen, ist offenbar weit verbreitet.

Frauenquoten in der Wirtschaft würden Deutschland ziemlich sicher ruinieren. Wer für einen Spitzenjob in der Wirtschaft eine Quote braucht, ist für den Posten ohnehin nicht geeignet. Der Anteil der qualifizierten Frauen, die auch leistungsbereit sind, dürfte ungefähr nur bei zehn Prozent liegen. Und gerade erfolgreiche Frauen in Spitzen­positionen sprechen sich am vehementesten gegen Frauenquoten aus.

Früher sagte der Inhaber eines Familien­betriebs, der wegen wirtschaftlichen Problemen Personal entlassen musste: Ich kann den Mann doch nicht entlassen, der hat Familie. Wer kann heute in Zeiten der Frauenquoten noch so denken? Dabei ist es ein Unding, wenn sich bei einer Bewerbung auf eine leitende Position eine kinderlose Frau – die wegen des anstrengenden Jobs dann auch kinderlos bleiben wird – aufgrund einer Quoten­regelung gegen einen männlichen Bewerber mit gleichen Qualifikationen, aber eine Ehefrau und drei Kindern versorgt, durchsetzt. Hierbei handelt es sich nicht um eine Geschlechter­gleich­stellung, sondern um eine Diskriminierung der Familie (inkl. der Ehefrau).[3]

zurückDie Wachstumsideologie in der Wirtschaftspolitik

Es ist auch spannend, der Frage nachzugehen, was die Gesellschaft im Inneren zusammenhält und worauf sich im Kern die Wirtschaft gründet. Angesichts des von der Tiger­enten-Koalition beschlossenen Wachstums­beschleunigungs­gesetzes sollte auch mal hinterfragt werden, inwieweit Wachstum in einer globalen Welt und 60 Jahre nach dem letzten großen Krieg überhaupt noch realistisch ist.

Dazu hat „Das Philosophische Quartett“ am 7. Juni 2009[4] interessante Gedanken diskutiert. Danach ist die Nachkriegs­gesell­schaft mit dem Anspruch angetreten, (stetig) wachsenden Wohlstand für alle schaffen zu wollen. Schon seit der industriellen Revolution hat sich die Gesellschaft hat eine rasch fortschreitende Säkularisierung der Gesellschaft die Religion weitgehend verdrängt und durch materielle Werte als Sinnspender ersetzt. Irdischer Wohlstand ersetzt das himmlische Paradies. Die Wachstums­ideologie wurde zur einigenden Klammer der Gesellschaft in der Nachkriegszeit, dabei durchzieht sich der Begriff Wachstum wie ein Mantra die Wirtschafts­politik und unterliegt einem un­hinter­fragbaren Tabu, was es zu einer Art Ersatz­religion macht.

Die industrielle Revolution hat es tatsächlich einen Wohlstand und ein Wachstum hervor­zu­bringen, wie es in der Menschheits­geschichte bis dato unbekannt war. Peter Sloterdijk merkt aber auch an, dass „dieses Wachstums­versprechen auch deswegen gegeben wurde ist, weil die moderne Gesellschaft weiß, dass sie Gleichheit nicht herstellen kann.“ Wie der Titel der Sendung „Zeitenwende: Was hält die Gesellschaft noch zusammen?“ schon aussagt, stehen wir an einer Zeitenwende, wo die Ahnung immer konkreter wird, dass das Wachstums­versprechen auf Dauer nicht eingehalten werden kann, die Linke immer noch einem Gleichheits­ideal hinterher läuft, dass eigentlich schon längst als nicht erreichbar entlarvt wurde, aber eine Antwort auf die Frage, was die Gesellschaft in Zukunft zusammen­halten wird, noch nicht einmal in Ansätzen sichtbar ist.

Der Zukunftsdiskurs ist in Deutschland ziemlich unterentwickelt und die Politik fährt nach der Finanzkrise auch eher eine Beschwichtigungs­politik. Da dieses Buch aber die Anregung von Diskursen als Hauptanliegen hat, soll hier ein Auszug des hoch­interessanten Gesprächs wiedergegeben werden, in dem es um die Bedeutung des „Wachstums“ für unsere Gesellschaft geht:[4]

Meinhard Miegel: „Diese Gesellschaft, oder in noch umfassenderem Sinne diese Kultur, ist mit dem Versprechen angetreten, permanenter materieller Wohlhabenheit für alle. Und diese Wohlhabenheit sollte immerfort gesteigert werden. Da braucht man nicht auf Ludwig Erhardt zu sprechen kommen: Wohlstand für alle, sondern das geht viel weiter zurück, bis zum Beginn der Industrialisierung, ging es immer um ein materielles Mehr. Und seit ungefähr 30 Jahren lässt sich das nicht mehr realisieren. Das, was an materieller Wohlhabenheit geschaffen wird, wird auf immer Weniger konzentriert, damit die noch das Erlebnis haben, dass es weiter nach oben geht. Der Preis dafür ist, dass immer größere Gruppen der Bevölkerung davon abgekoppelt sind, die nehmen daran nicht mehr teil. Und dieses Wachstum, diese Wohlstands­mehrung findet nicht mehr statt. Und damit wird das zentrale Versprechen dieser Gesellschaft nicht mehr eingelöst.“ (Teil 1, 7:00 min.)
„Das war in gewisser Weise die Sinngebung dieser Gesellschaft: Wir mehren materiellen Wohlstand. Und wenn diese Sinngebung nicht mehr erfüllt wird, dann kommt eine Gesellschaft in Schwierigkeiten. Dann sucht sie entweder nach einem anderen Sinn – was durchaus möglich ist, aber dieses nach einem anderen Sinn suchen geht einher mit Konflikten – oder sie zerbricht auch ganz. Wenn eine Gesellschaft Sinnfragen nicht mehr beantworten kann, gerät sie in der Regel ins Taumeln.“ (Teil 1, 8:00 min.)

Gleichheit und Wachstum scheinen die Zentralbegriffe für die zwei Haupt­ideologien der heutigen Gesellschaft zu sein. Während Miegel darauf hinweist, dass das Wachstums­versprechen seit zirka 30 Jahren ins Bröckeln geraten ist, behauptet Sloterdijk, dass die Wachstums­hoffnung ein nicht erfüllbares Gleichheits­ideal substituiert hat:

Peter Sloterdijk: „Wir sollten nicht vergessen, dass dieses Versprechen […] auch deswegen gegeben wurde ist, weil die moderne Gesellschaft weiß, dass sie Gleichheit nicht herstellen kann. Als funktionales Äquivalent für ein Gleichheits­versprechen geben wir ein Wachstums­versprechen, das nämlich all denen, die auch innerhalb des wachsenden Wohlstands die kleineren Portionen bekommen, weiterhin mit der Aussicht darauf leben können, dass ihr Anteil auch mitwächst, wenn auch nicht proportional in einer so breiten Form, wie es wohl gewünscht würde. Das gehört ja ganz offenkundig zu den Betriebs­geheimnissen moderner Gesellschaften, dass sie Produktion und Wachstum versprechen als die eigentliche Antwort auf das Glücks­versprechen, das man aber nicht in der Umverteilung oder in der materiellen Gleichstellung aller erreichen kann.“ (Teil 1, 8:30 min.)

Rüdiger Safranski: „Das wäre jetzt so eine Analyse, die in große Perspektive davon ausgeht: Wir haben in der Vergangenheit eine Situation gehabt, wo die Religion die Gesellschaften zusammen­gehalten hat, das war die überwölbende Sinnglocke, jetzt ist in der Säkularisierung die Religion weggeschmolzen als Verbindendes und dann kam im 19. Jahrhundert die Nation, da waren Populationen in der Erregungs­gemein­schaft der Nation zusammen­geschmolzen. Nation, wissen wir jetzt mittlerweise, war auch etwas halb­religiöses. Ist das auch abgerüstet worden. Dann haben wir jetzt den Zusammenhalt, sagen sie, jetzt, seien wir ehrlich: Der große Sinnspender ist nicht mehr Gott oder ein Ersatz für ihn, sondern ist das Wachstums­versprechen, an dem man persönlich partizipiert. Und schmeißen wir jemand da raus aus dem Wachstum, fällt er in die Sinnlosigkeit. Die reale Gefahr des Nihilismus ist, dass es kein Wachstum gibt. Das wäre Ihre religions­philosophische Deutung des gegenwärtigen Problems.“ (Teil 2, 0:20 min.)

Meinhard Miegel:„Richtig. Wachstum ist das große Versprechen gewesen, Wohlstands­mehrung ist das große Versprechen. Und das hat schon eine Religions­funktion in unserer Gesellschaft.
Wenn ich mir einmal anschaue, wie alle Aktivitäten dieser Gesellschaft ausgerichtet sind auf wirtschaftliches Wachstum: Was ist die Funktion von Wissenschaft, von Kunst, von Sport, von vielen anderen Dingen? Ihre Nützlichkeit wird abgelesen an ihrem Beitrag zum wirtschaftlichen Wachstum. Und wenn sie da keinen Beitrag leisten, dann sind sie in dieser Gesellschaft uninteressant. Unser ganzes Bildungssystem ist abgestellt auf: Wie nützlich ist der Mensch hinterher für wirtschaftliche Prozesse, für Wachstums­prozesse? Und wenn dieses Wachstum nicht mehr kommt, dann ist das schon eine fundamentale Erschütterung für eine Gesellschaft.“
(Teil 2, 1:30 min.)

Es zeigt sich also, dass das Wachstums­versprechen (auf Dauer) als ebenso illusorisch erweist, wie zuvor das Gleichheits­versprechen. Allerdings hat das Gleichheits­ideal seit rund 30 Jahren durch den Feminismus eine Art Erweckung erfahren.

Auch zur Familie wurde im Zusammenhang mit Wohlstand etwas gesagt:

Rüdiger Safranski: „Der Zusammenhalt durch Familie lässt nach.“ (Teil 2, 8:40 min.)

Meinhard Miegel: „Der Zusammenhalt der Familie, die Rolle der Geschlechter und Verhältnis von Eltern und Kindern, das alles ist ja abhängig von der materiellen Wohlstands­mehrung. Wir müssen uns mal Gesellschaften anschauen, die materiell sehr wohlhabend sind, die sind natürlich in viel geringerem Umfange individuell und gruppen­mäßig aufeinander angewiesen. Und dann Gesellschaften, die in materieller Armut leben, die sind natürlich in hohem Maße aufeinander angewiesen, sodass man mit einem gewissen Automatismus sagen kann, wären wir weniger wohlhabend, hätten wir mehr Zusammenhalt. Und ich bin mir ziemlich sicher, da wir künftig nicht mehr so wohlhabend sein werden wie heute, werden wir einen Gutteil der heute diskutierten Probleme nicht mehr haben. Weil die Gesellschaft sehr rasch enger zusammen­rücken wird, die Familie wird eine ökonomische Funktion bekommen, Nachbar­schaften werden eine ökonomische Funktion bekommen, das ganze Thema Gesundheit wird relativiert werden, weil wir uns das Ganze einfach nicht mehr finanzieren können, und vieles andere mehr.“ (Teil 3, 0:05 min.)

Dabei drängt sich die Frage auf: Woher kommt die Familien­kultur und das familiare Wirtschafts­wissen, wenn nun das Wachstum nicht nur einbricht, sondern der Wohlstand auch signifikant einbricht? Ist die Familie nicht eine Kultur­leistung des Menschen, die über Jahrtausende gewachsen ist und die, einmal zerstört und verloren, sich nicht so einfach aus dem Zylinderhut wieder hervorziehen lässt?

zurückDie Soziale Marktwirtschaft

Friedrich August von Hayek sieht in dem Begriff „Soziale Markt­wirtschaft“ eine „sinn­entleerte Wort­verbindung“; „sozial“ ist für ihn ein „Wieselwort“, das andere Wörter ihres Inhalts beraubt:

„Was sozial eigentlich heißt, weiß niemand. Wahr ist nur, daß eine soziale Markt­wirtschaft keine Markt­wirtschaft, ein sozialer Rechtsstaat kein Rechtsstaat, ein soziales Gewissen kein Gewissen, soziale Gerechtigkeit keine Gerechtigkeit – und ich fürchte auch, soziale Demokratie keine Demokratie ist.“ [5]

Verwirklicht wurde die Soziale Marktwirtschaft in Deutschland von dem ehemaligen Wirtschafts­minister und späteren Bundeskanzler Ludwig Erhard.

„Der Glaube an die Soziale Marktwirtschaft schwindet. Neu ist das nicht. Ludwig Erhards Freigabe der Preise und sein Vertrauen in die Kraft von Markt und Freiheit zu einer Zeit, da die CDU im Ahlener Programm noch den christlichen Sozialismus propagierte war ein Risiko, das er politisch wohl nicht überlebt hätte, wären die Erfolge seiner Politik nicht so außerordentlich schnell und überzeugend eingetreten.
‚Wohlstand für alle‘ war vor allem Wohlstand durch die eigene Arbeit und die genutzt Chance – schon damals eine Kampfansage an einen übermächtigen Staat und damit an alle, die von ihm profitieren könnten. Doch die haben ihre Chance genutzt. Mit der Parole ‚Nur Starke können sich einen schwachen Staat leisten‘ haben sie Schritt für Schritt alles getan, die Leistungs­träger mit Steuern, Abgaben und Vorschriften immer schwächer zu machen und zu bevormunden bis hin zum Transfer­empfänger, damit ein vermeintlich starker Staat ihnen das zurückgeben kann, was sie selbst erwirtschaftet haben. Natürlich nicht alles. Immer neue teure Regeln erfordern immer neue gut bezahlte Regulierer. Schlimmer noch. Arbeit, Leistung und Wettbewerb werden im besten Falle als selbst­ver­ständ­lich hingenommen und zunehmend sogar denunziert.
Eigentlich ist der Begriff Soziale Marktwirtschaft zum Wieselwort geworden – einem Begriff, dessen Inhalt wie die Eier von Wieseln ausgesaugt wird und zur Hülle verkommt. ‚Sozial‘ wird reduziert auf Umverteilung und unter dem Druck der Linkspartei heute schon fast überall auf Einkommens­gleichheit umgedeutet. Wie vollkommen der Sieg der ‚Wiesel‘ ist, zeigt, dass die ‚Erfinder‘ der Sozialen Marktwirtschaft – Erhard, Röpke, Eucken, Müller-Armack und andere – sämtlich Neoliberale waren, also genau jener Schule angehörten, welche heute von den selbsternannten Beschützern der Sozialen Marktwirtschaft zu deren Haupt­feinden erklärt wird.“
[6]

Erhards Konzept hat zwar die wirtschaftliche Grundlage des Landes geschaffen, aber Deutschland verkommt immer mehr zu einem sozialistischen Um­verteilungs­staat und die Europäische Union ähnelt immer mehr der Union der sozialistischen Sowjet­republiken (UdSSR). Das ist umso bemerkenswerter, als die UdSSR wirtschaftlich zusammen­gebrochen ist und in Russland sozialistische Experimente beendet wurden. Auch in Israel werden die Kibbuzim nur noch der Traditionspflege wegen weiter betrieben.

Eng verbunden mit dem Begriff Soziale Marktwirtschaft ist die Idee von der sozialen Gerechtigkeit. Der Journalist Michael Klonovsky stellt klar, dass es sich dabei um einen hohlen Begriff zum Zwecke moralischer Erpressung handelt.

„Gerechtigkeit wäre, wenn sie existierte, per se sozial – es gibt keine physikalische, kulinarische oder erotische Gerechtigkeit. Es gibt nicht einmal eine juristische Gerechtigkeit, sondern Recht. Es gibt auch keinen wahrhaft gerechten Menschen. Jede funktionierende Familie beruht auf der Übereinkunft, dass die Lasten ungerecht verteilt sind, man sich aber trotzdem gern hat.“ [7]

Soziale Gerechtigkeit bedeute von daher in der Praxis:

„Dem einen wird, in der Regel gegen dessen Willen, etwas weggenommen, damit anderen gegeben werden kann, egal, ob sie es verdient haben. Die nahezu spirituelle Aufladung des Begriffes dient bloß dem Zweck, diese profane Wirklichkeit zu vernebeln. Wenn Umverteilung als legitim gelten solle, so der Sozial­philosoph Anthony de Jasay, "braucht es dafür sehr gute Gründe, Gründe, die stark genug sind, die ungerechte Natur jeder Umverteilung zu kompensieren. Das sollten wir ehrlich zugeben, statt dem Dilemma einfach aus dem Weg zu gehen, indem wir das Vorgehen ungeniert als ‚soziale Gerechtigkeit‘ bezeichnen." Warum sollte es gerecht sein, jemanden vor dem Sturz ins Elend zu bewahren, der selber keine Anstrengungen dagegen unternimmt? Was ist gerecht daran, wenn eher kinderarme deutsche Steuerzahler eher kinderreiche Zuwanderer­familien miternähren?
Ein Kernbegriff des bundes­republikanischen Selbst­verständnisses bedeutet also entweder nichts Konkretes oder sogar sein Gegenteil. Trotzdem beendet er als ultimatives Argument jede Debatte. Gegen soziale Gerechtigkeit ist kein Einspruch zulässig. Die Tabusperre ist so mächtig, dass jede Erklärung überflüssig wird. Wer soziale Gerechtigkeit auszuüben vorgibt, befindet sich im Recht.“
[7]

Die staatlich organisierte Umverteilung wird dabei als ein Vorgang verstanden, der den sozialen Frieden sichert, das heißt, die Bessergestellten sind froh darüber, dass die Alimentierten nicht bei ihnen daheim auftauchen und sich selber nehmen, was sie brauchen.





[1] a b Nachfolge: Töchter sind selten die erste Wahl, Berliner Morgenpost am 7. Dezember 2008
[2] MittelstandsWiki: Unternehmensnachfolge im Mittelstand
[3] Peter Mersch: Familienarbeit in gleich­berechtigten Gesellschaften – Die Familienmanagerin: Familie als Beruf
[4] a b „Das Philosophische Quartett“: „Zeitenwende: Was hält die Gesellschaft noch zusammen?“ am 7. Juni 2009 im ZDF; Teil 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7
[5] Thomas Straubhaar: Was vom Erbe Erhards bleibt; in: Die Welt vom 8. Februar 2007; Werner Kruck: Soziale Marktwirtschaft, 27. November 2009
[6] Ralf Wagner: Die Soziale Marktwirtschaft – eine schlechte Idee?, 10. Juni 2008
[7] a b Michael Klonovsky: Debatte: Das Gott-Wort der Guten, Focus am 2. August 2010 (Das Gott-Wort der Guten heißt soziale Gerechtigkeit. Dabei ist es ein hohler Begriff zum Zwecke moralischer Erpressung.)