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Die Familie und ihre Zerstörer

Was schief läuft und was anders werden muss – Eine überfällige Debatte

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Die Familienfeinde

Erinnert sich noch jemand an die Vorwerk-Werbung, bei der eine Frau auf die Frage nach ihrem Beruf stolz verkündete: „Ich leite ein erfolgreiches, kleines Familien­unternehmen!“? Ein wahres Wunderding, dieser Staubsauger.

Denn eine Familie ist heute nicht erfolgreich, sie gilt als „Auslaufmodell“. Die hohen Scheidungs­zahlen sind alarmierend, noch schlimmer ist der hohe Anteil der kinderlosen Ü40-Frauen. Wäre die Familie ein Tier, könnte man von einer bedrohten Art sprechen. Es ist, als würden junge Paare heute aus dem Fenster schauen und sagen: Nein, in diese Welt wollen wir keine Kinder setzen.

Die Familie hat mächtige Feinde. Einer ist die Gleichheits-Walze, die über unser Land rollt. Jede auch nur gefühlte Ungleichheit wird als Unrecht angesehen, das beseitigt werden muss. Eine Chancen­gleich­heit genügt da nicht mehr, es muss eine messbare Ergebnis­gleich­heit her. Und zwar sofort. Sonst ist eine Strafe fällig. Es wird uns alle unglücklich machen, wenn es so weitergeht; wir werden noch schmerzhaft die doppelte Bedeutung des Wortes „gleichgültig“ spüren.

Kurt Vonnegut, der bei uns vermutlich wegen seinem Humor unterschätzt wird, berichtet in einem seiner gerade nicht lieferbaren Romane von einem Planeten, auf dem der „Ewig Gleich­gültige Gott“ herrscht, der auf eine Weise gleichgültig ist, dass selbst der Papst staunt und sich der Theologe wundert: Jeder, der eine Fähigkeit, einen Vorzug oder eine Schönheit hat, muss genau berechnete, ausgleichende Gewichte mit sich herum­tragen, damit es allen gleicher­maßen schlecht geht. Wollen wir das?

Gleichheit führt erst zur Tristesse, dann zur Tyrannei. Egalité wird deshalb so laut angepriesen, weil ihre Vorkämpfer allein dafür, dass sie uns das zweifelhafte Glück der Gleichheit aufdrängen, Sonder­rechte für sich beanspruchen, sie sind von Anfang an gleicher als gleich. Die Gleichen gesellen sich sowieso nicht so gerne zu den anderen Gleichen, wie das Sprichwort meint. Je kleiner die Unterschiede, desto größer sind Neid und Missgunst. Kain und Abel schlugen sich, und wie zerstörerisch Brüder­lich­keit sein kann, offenbarte die französische Revolution: Nicht der König hatte die Guillotine aufgebaut, unter den Gleichen wütete das Fallbeil. Die größt­mögliche Gleichheit wird in der Tyrannei des großen Bruders erreicht, wobei hier mit „Big Brother“ nicht die Fernseh­sendung gemeint ist. Pol Pot nannte sich „Bruder Nummer 1“. In Kambodscha.

In Deutschland sind neuerdings im Antrags­formular für das Elterngeld die Ausdrücke „Vater“ und „Mutter“ ausgemerzt worden, sie entsprachen nicht mehr dem Gleichheits­ideal. Doch so richtig schön „gleich“ ist das Ergebnis auch nicht geraten, es ist wieder eine Hierarchie entstanden: „Elter 1“ und „Elter 2“, heißt es nun. Erst 1, dann 2.

Mit einer gleichen Bezeichnung wird noch lange keine echte Gleichheit erreicht. Unter einem „Ehemann“ stellten wir uns bisher jemanden vor, der eine Ehefrau an seiner Seite hat. Nun kann es auch ein Außen­minister sein. Das Wort ist jedenfalls das gleiche. Doch da, wo heute „Ehemann“ draufsteht, ist nicht mehr Ehemann drin. Ein „Mann“ ist der Lebenspartner von Guido Westerwelle zweifellos, ein Ehemann ist er nicht. Eine „Ein-Eltern-Familie“ ist keine Familie. Im Namen der Gleichheit werden uns falsche Begriffe auf die Brillen geklebt, auf dass wir die Welt nicht mehr richtig sehen und bezeichnen können.

Die Walze kommt nicht überall hin. Es gibt immer noch Widerstands­nester: Es sind die Familien. Eine Familie ist die Hohe Schule der Ungleichheit. Da hat jeder seinen Platz. Es sind aber nicht alle gleich. Nicht jeder hat denselben Geschmack; nicht alle verbringen gleichviel Zeit im Badezimmer. In einer Familie knallt und rumpelt es – gleichgültig sind sich die Familien­mitglieder nicht. Das ist das Glück.

Die Griechen kannten das Prokrustes-Bett, in dem Wanderer übernachten durften, auch wenn sie nicht reinpassten. Waren die Füße zu lang, wurden sie abgehakt, war der Wanderer zu klein, wurde er in die Länge gezogen, bis es ihn zerriss. Dieses Modell wird in der Politik geschätzt, nicht in der Familie. Dem Großen werden nicht die Beine abgehakt, der Kleine wird nicht zerrissen. Ungleichheit wird nicht als Ungerechtigkeit gesehen. Vater und Mutter sind deutlich voneinander zu unterscheiden, sie haben auch nicht die gleiche Bezeichnung. Der Große hilft dem Kleinen, der Starke dem Schwachen.

In einer Familie ist Andersartigkeit möglich. Gegensätze ziehen sich an. Das schafft Energie. Unterschiede erzeugen Reibung. „Reibung ist Liebe“, wie ein anonymer Spötter sagt. Mängel ergänzen sich zur Stärke, wie in dem Sinnbild deutlich wird, bei dem ein Blinder einen Lahmen trägt, der ihm sagt, wo es langgeht. Die Vertreter der Gleichstellung sehen das anders: Da muss dem Lahmen ein Auge ausgestochen werden, und der Blinde kriegt ein Holzbein. Das ist dann gerecht.

Diese Vorstellung von Gerechtigkeit kennt zwei Seiten, die ständig gegeneinander aufgewogen werden müssen. Damit kommt der „Vergleich“, mit dem nach Jean-Jaques Rousseau das „Übel“ in die Welt gekommen ist – er meinte das Konkurrenz­denken – bis in die Familie, wo er bisher nichts zu suchen hatte. Nun tritt der Wettbewerb auch zwischen Mann und Frau, selbst wenn so ein Vergleich immer unfair ist und sich dreist über die „two facts of life“ hinwegsetzt oder zumindest so tut, als würde es diese beiden Fakten, die man nicht wegfinanzieren kann, auch nicht geben: 1. Den Geschlechts­unter­schied, 2. Den Alters­unter­schied. In der „alt­her­gebrachten“ Familie dagegen werden die Fakten respektiert, da werden die Unterschiede nicht ausgeglichen, da werden sie nicht geleugnet und nicht vertuscht. Sondern genutzt.

Wenn die Politik eine Familie auch als Kreuzung der Generationen und Geschlechter verstehen würde, könnte man sich das ganze „Gedöns“ wie es Altkanzler Gerhard Schröder nannte, sparen: „BMFSFJ, Bundes­ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend“. Die Botschaft dieser komplizierten Umbenennung des Ministeriums, das im Volksmund „Ministerium für alles, außer Männer“ heißt, liegt darin, dass die Männer in der Aufzählung der Einzelteile einer Familie fehlen. Sie werden damit unauffällig, aber un­miss­verständlich aus der Liste gestrichen und ausgegrenzt. In der Halbblindheit der Frauenpolitik, die sich inzwischen dem Feminismus unterworfen hat, werden Männer nicht mehr anders wahrgenommen als etwas, das es zu bekämpfen und zu bestrafen gilt.

Der Feminismus ist ein unversöhnlicher Feind der Familie; denn eine traditionelle Familie ist, wie Betty Friedan lautstark verkündet hat, ein „komfortables KZ“, aus dem sich die Frau möglichst schnell befreien muss, Hausarbeit ist „Sklaven­arbeit“. Da möchte man schon fragen: Gibt es das auch eine Nummer kleiner? Nein, die Frauen-Boutique führt nur Einheits­größen. Die Groß­mäulig­keit ist das Wahrzeichen des Feminismus, schließlich beruht er auf der Primitivität der Vereinahmung aller Frauen und einer stumpfen Zweiteilung der Menschheit in Gut und Böse: Frau gut, Mann böse.

Das „Manifest der Gesellschaft zur Vernichtung der Männer“ von Valerie Solanas trifft auch den richtigen Feministen-Ton, das ist keine peinliche Rand­erscheinung, das ist der harte Kern. In Deutschland wurde es jüngst neu herausgebracht, in Schweden, dem „Saudi Arabien des Feminismus“, ist die Neuausgabe derartig beliebt, dass schon vorgeschlagen wurde, es statt der Bibel in Hotelzimmern auszulegen. Von Frauenseite gibt es erwartungsgemäß keine Distanzierung zum militanten Flügel, die Radikalen geben die Richtung an für die schweigend dösende Mehrheit.

Das berühmte „Nein zur Penetration“ – das erste Gebot des Feminismus – eröffnete sogleich einen verlust­reichen Zwei­fronten­krieg. Bisher wurde vor allem der Geschlechter­krieg thematisiert, bei dem die Liebe des Mannes, seine Fürsorge, Verantwortung und Hilfs­bereitschaft (Was für alt­modische Ausdrücke!) in rohe Gewalt, chauvinistische Selbst­herrlich­keit und un­gerecht­fertigte Macht­aus­übung umgedeutet wurden. Doch der Krieg ist nicht nur ein Geschlechter-, er ist auch ein Generations­krieg. Ohne Penetration keine Fortpflanzung.

Die Überlegenheit des Mannes – er ist größer, älter, verdient mehr, ist besser gebildet und bringt mehr Geld in das Unternehmen ein – ist immer noch die Voraussetzung für eine Eheschließung und Familien­gründung. Das geht solange gut, bis die Frau von der Neubewertung der Konzentrations­lager erfährt und ihre Situation als unzumutbar empfindet, als Unterdrückung, in die sie ohne eigenes Zutun hinein­geraten ist und aus der man ihr nun heraushelfen muss. Jetzt muss der Mann für seine ursprünglich gewünschte Überlegenheit büßen und Ausgleichs­zahlungen leisten. So werden Frauen massenhaft zur „Untreue“ verleitet. Das Wort ist doppeldeutig: Sie brechen ihr Versprechen und veruntreuen Gelder. Eine Bedürftigkeit der Frau ergibt sich allein schon dadurch, dass sie weniger verdient als der Mann. Das ist neuerdings ungerecht. Das muss ausgeglichen werden. Nachher sind beide unglücklich und deutlich ärmer. Die vielen Scheidungen sind ein trauriger Erfolg der Gleichheits-Walze und des Feminismus; sie sind ein Horror für die Kinder.

Auf der Internet­seite „Die Familie und ihre Zerstörer“ – dfuiz.net – wird auf fast tausend Seiten eine Material­sammlung ausgebreitet, die all die Kräfte, die heute gegen eine Familie wirken, zusammen­fassend darstellt. Es ist nieder­schmetternd. Da ist ein komplexes System von Fehlanreizen entstanden. Zwar steht die Familie offiziell unter dem besonderen Schutz des Staates, doch der fördert lieber modische Ersatz­familien und hat unmerklich die zerstörerischen Kräfte des Feminismus mit staatlicher Macht ausgestattet und mit Quoten abgesichert. Ein erfolgreiches, kleines Unternehmen kann man heute vor allem dann leiten, wenn man sich auf die Seite von denen stellt, die an der Zerstörung mitwirken. Dann reicht das Geld auch für einen guten Staubsauger.

Die Anzahl der Anwälte hat sich gegenüber 1950 verzehnfacht, sie profitieren von den Scheidungen, von der Vertiefung der Kluft zwischen den Geschlechtern und von der Vergrößerung des Kinderelends. Im Gerichts­gebäude hängen praktischerweise die Listen der Immobilien aus, die man günstig bei Zwangs­versteigerungen erwerben kann. Trennung rechnet sich nicht nur für Kriegsgewinnler. Sie rechnet sich auch für die moderne Bedarfs­gemeinschaft, wenn die Mutter den biologischen Vater verschweigt wenn sie pro forma zwei Wohnungen unterhalten. Das bringt mehr Fördergelder.

Familie rechnet sich nicht. Ausgerechnet das, was den Fortbestand unseres Wohlstands sichert – Kinder in intakten Familien – ist zum Armuts­risiko geworden. Wir haben uns so an die Bedrohung durch Über­bevölkerung gewöhnt, dass wir nicht auf den Gedanken kommen, dass uns das Fehlen von Nachkommen bedrohen kann. Umso mehr, wenn die Wenigen mit einem Schuldenberg belastet sind und der Aufgabe, die Kosten für eine zunehmende Zahl von pflege­bedürftigen Alten auf ihren schwachen Schultern zu stemmen.

Doch die Familie hat schon diverse Gesell­schafts­experimente überstanden. Mich erinnert die Rede vom „Auslaufmodell“ immer an die Formel vom „Spät­kapitalismus“, der als Totgesagter auch seine Beerdigungsredner überlebt hat. Bald ist Weihnachten. Die frohe Botschaft ist, dass „uns ein Kindlein geboren“ wurde. Joseph hat sich bestimmt auch so seine Gedanken gemacht, ob er der biologische oder der soziale Vater des Kindes ist, doch er betrachtet es „froh“, wie es in dem Lied heißt. Vielleicht weil er ahnt, dass darin die Unsterblichkeit zu Lebzeiten liegt.

Essay von Bernhard Lassahn
Leicht verändert veröffentlicht als „Die Familienfeinde: Feminismus und Staat“
In: Compact-Magazin, Ausgabe 12/2001, S. 41-43