Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) ist ein sozialpolitisches Finanztransfermodell, nach dem jeder Bürger unabhängig von seiner wirtschaftlichen Lage vom Staat eine gesetzlich festgelegte und für jeden gleiche finanzielle Zuwendung erhält, für die keine Gegenleistung erbracht werden muss. Das BGE soll so angelegt werden, dass es bereits ohne weitere Einkommen oder bedingte Sozialhilfe existenzsichernd wäre.
Es gibt viele unterschiedliche Vorstellungen, wie ein Grundeinkommen aussehen soll – sowohl was die Finanzierung angeht, als auch was die Ziele sein sollen: Wollen die einen in erster Linie die soziale Marktwirtschaft modernisieren, Bürokratie abbauen und das Steuersystem vereinfachen, geht es anderen Gruppen um die endgültige Überwindung des Prinzips Lohnarbeit.[1] Was in der Debatte um das BGE noch vollständig fehlt ist die Berücksichtigung der Auswirkung auf Familien.
Die Höhe des Grundeinkommens ist eine wichtige Frage. Ist es zu niedrig, verändert sich rein gar nichts oder macht im Gegenteil Dinge vielleicht sogar schlimmer für Menschen, die keine weitere Möglichkeit haben ihr Einkommen aufzustocken. Ist es zu hoch, steigt das Risiko von Unproduktivität aufgrund von Faulheit.
Der Wirtschaftswissenschaftler und ehemalige Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen Heiner Flassbeck meint, mit dem BGE werde „eine sinnlose Umverteilungsmaschine in Gang gesetzt“.[2]
Nach Ansicht von Gerd Habermann von der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer beruhe die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens auf einer Vorstellung von einem Staat, in dem alle auf Kosten aller anderen leben könnten. „Erstaunlich, welche exotischen Blüten aus dem Sumpfboden unseres Wohlfahrtsstaates wuchern“, sagt Gerd Habermann über das im BGE enthaltene „Recht auf Faulheit“. Mit der Idee eines BGE würden die Vorschläge „sozialistischer Utopien“ übertroffen, die stets eine staatlich gewährte Versorgungsgarantie des Bürgers mit seiner Arbeitspflicht verknüpfen. Dass das BGE mit dem durchaus christlichen Argument der „Menschenwürde“ durchgesetzt werden soll, hält der Katholik Habermann für unverständlich. Sollte es unwürdig sein, zwecks Selbsterhaltung fürs tägliche Brot nun mal arbeiten zu müssen? Doch einen Staat, in dem alle per Sozialhilfe auf Kosten aller anderen leben können, hält Habermann für völlig ungerecht.[3]
Die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen hat erhebliche Nebenwirkungen, die bisher kaum diskutiert wurden. Da ein Grundeinkommen für alle verlangt wird, wirkt es als flächendeckender Kombilohn, mit dem das gegenwärtige Tarifsystem untergraben wird. Konkrete Tagesforderungen wie die nach einem ausreichenden gesetzlichen Mindestlohn werden in den Hintergrund gedrängt. Es ist nicht auszuschließen, dass in Branchen mit Niedriglöhnen die Existenzsicherung dazu genutzt wird, die Löhne weiter zu drücken. Für andere unbeliebte Arbeit findet sich vielleicht niemand mehr, der sie erledigen will, weil die Notwendigkeit zur Annahme einer Arbeit wegfällt. Ein Schattenarbeitsmarkt mit illegal beschäftigten Arbeitern aus dem Ausland könnte die Folge sein.
Obwohl das kinderarme Deutschland Nachwuchs dringend braucht, so sind doch auch hier Seiteneffekte zu beachten. Drogenabhängige Frauen könnten sich über Schwangerschaften zusätzliches (Grund)Einkommen verschaffen, um damit ihre Sucht zu finanzieren. Antriebsschwache Hauptschulabbrecherinnen könnten versucht sein, sich über Babys ein Ersatzeinkommen zu verschaffen. Roma-Familien mit deutschem Pass könnten sich Heerscharen von Bettlerkindern staatlich finanzieren lassen. Die Motive der Menschen, warum sie Kinder bekommen, sind schwer zu steuern. Und wenn man die Existenzsicherung wieder an Bedingungen knüpfen will, wäre es ja kein „Bedingungsloses Grundeinkommen“ mehr.
Pro
„Ein Grundeinkommen macht genauso wenig faul, wie Erwerbsarbeit grundsätzlich fleißig macht.“ – Theo Wehner [4]
Das ist allerdings nicht alles. Es gibt andere Aspekte, die das bedingungslose Grundeinkommen trotzdem interessant machen.
Zunächst einmal ist Sozialhilfe sehr teuer abseits der reinen Transferleistung. Die Bürokratie, welche die Bedürftigkeit prüfen muss, ist sehr aufwendig. Der Sozialbetrug ist hoch, der Kontrollaufwand immens. Der Journalist Henryk M. Broder hat in „Entweder Broder – Die Deutschland-Safari“ berichtet, dass nach der Einführung von Hartz4 allein in der Stadt Speyer im Sozialgericht von 6 auf 19 Kammern aufgestockt wurde. Die Kammern seien aber trotzdem überlastet, was Wartezeiten von bis zu zwei Jahren bedeute.[5] Es wird ein kostspieliger Aufwand betrieben und die aufgewendeten Mittel kommen nicht den Bedürftigen, sondern nur den Juristen und den Funktionären im Öffentlichen Dienst zu Gute. All diese Kosten, die von niemanden je beziffert wurden, würden mit der Einführung des Bedingungslosen Einkommens natürlich wegfallen. Damit ist zumindest ein Argument der Gegner hinsichtlich der Kosten relativiert.
Ein weiterer interessanter Gedankenansatz ist, das Bedingungslose Grundeinkommen nicht als Sicherung des Existenzminimums zu verstehen, sondern als Versorgung der Bevölkerung mit Geld. Geld gilt als universelles Tauschmittel und wo kein geeignetes Tauschmittel vorhanden ist, besteht ein ernstes Hindernis für wirtschaftliche Entwicklung. In Indien experimentiert man aus diesem Grund mit so genannten Mikrokrediten. Gerade in Zeiten der Euro-Krise und der de facto Pleite Griechenlands erleben wir, wie Milliarden und Abermilliarden von Euros in den Finanzkreislauf gepumpt werden und diese nur bei den Banken und in immer neuen Spekulationsblasen verschwinden. Da liegt es doch mehr als nahe, dieses Geld nicht bei den Banken einzuspeisen, sondern stattdessen an der Basis der Gesellschaft. Die Milliarden, die für die vermeintliche Bankenrettung ausgegeben werden, sind realwirtschaftlich ja auch nicht gedeckt, sodass das Gegenargument mit der fehlenden Gegenfinanzierung in sich zusammenfällt.
Die Tiroler Gemeinde Wörgl startet in der Weltwirtschaftskrise 1932 mit einer lokalen Tauschwährung ein Geldexperiment, das weltweit Aufsehen erregte. Das Problem bestand damals wie heute darin, dass das Geld in den Zinsenkanälen versickert und sich in den Händen weniger Menschen sammelt, die das Geld nicht mehr dem Warenmarkt zuführen, sondern als Spekulationsmittel zurückhalten. Die USA hatten damals in umfangreichem Stil Gold in Europa aufgekauft, als Reaktion mussten die österreichischen Banken die Menge ihres goldgedeckten Schillings reduzieren, um die Währung zu stabilisieren. In der Folge verfielen die Preise für Waren und Arbeit, der Konsum ging noch weiter zurück. Aus Finanznot musste der Wörgler Bürgermeister öffentliche Bauprojekte stoppen mit dem Ergebnis, dass es auf der einen Seite arbeitslose und verarmte Arbeitswillige und auf der anderen halbfertige Bauten und gefüllte Läden gab. Die Aufgabe war nun, wie er die Wirtschaft wieder in Schwung bringen könnte, ohne seine Bürger zu belasten oder sich Geld von Banken leihen zu müssen. Als Lösung erfand er Geld, das die Gemeinde selbst herstellt, mit ihm ihre Bauprojekte bezahlt, und das die Arbeiter in den Wörgler Läden gegen Waren tauschen können. Dieses Notgeld wurde mit einer Besonderheit verbunden: Die Scheine sollten stetig an Wert verlieren, monatlich ein Prozent. Damit sollte sichergestellt werden, dass niemand dieses Schwundgeld lange behalten würde, sondern es innerhalb eines Monates ausgeben. Auf diesem Weg sollte das Geld zum Fließen und die gesamte lokale Wirtschaft wieder in Schwung gebracht werden. Tatsächlich füllte sich die leere Rathauskasse rapide, denn um das Schwundgeld wieder loszuwerden, zahlten die Wörgler Steuern im Voraus. Während im übrigen Österreich die Arbeitslosigkeit stieg, nahm sie in Wörgl deutlich ab. Die österreichische Presse nannte den Erfolg „Das Wunder von Wörgl“.[6]
Die Idee ist nun, den Gedanken vom bedingungslosen Grundeinkommen mit dem Ansatz des Wörgler Schwundgeldes zu verbinden. Das bedingungslose Grundeinkommen ließe sich also durch Schwund, sprich Inflation, finanzieren. Der Einwand von Peter Mersch bezüglich der Konsumsteuer und der damit verbundenen möglichen Steuerhinterziehung wären damit vom Tisch. Die Inflation hätte dieselben Wirkung wie eine Konsumsteuer und zudem den Vorteil, nicht vermieden werden zu können.
Der grundlegende Gedanke bei dieser Sichtweise wäre nicht die soziale Grundsicherung (wie Hartz4), sondern die Grundversorgung einer Gesellschaft mit Geld.
Geld hätte dabei – zumindest ein Stück weit – die Bedeutung der Allmende, einem gemeinschaftlichen Gut, von dem niemand ausgeschlossen werden darf. So wie Straßen, öffentliche Verkehrsmittel, Schulen, Parteien, Energieversorgungsstruktur und Polizei einen Teil einer gesellschaftlichen Infrastruktur darstellen, die vorhanden ist auch wenn sie konkret nicht genutzt werden, so kann auch der allgemeine und bedingungslose Zugang zu Geld als Teil einer gesellschaftlich notwenig erachteten Infrastruktur aufgefasst werden. Ohne Zugang zu Geld ist heute praktisch eine Teilhabe am wirtschaftlichen Leben nicht möglich. Erst durch das Verfügen über Geld wird jeder zu einem Nachfrager von Dienstleistungen, potentiell aber auch zum Anbieter, und sei es nur die Betreuung minderjähriger Kinder einer berufstätigen Mutter.
Das bedingungslose Grundeinkommen wäre ein neuer Weg, um Liquidität – so der Fachbegriff – in einer Gesellschaft herzustellen. Der herkömmliche Weg geht von oben nach unten so: Der Staat verschuldet sich bei den Banken und hofft, dass die Banken das Geld an Firmen verleihen, wobei wieder gehofft wird, dass damit Arbeitsplätze geschaffen werden, womit dann über Lohnzahlungen das Geld bei denen ankommt, die man Konsumenten nennt. Wenn der Staat sich schon verschuldet – und wir wissen alle, dass das Geld nie zurückgezahlt werden wird – dann kann er zumindest teilweise das Geld den Konsumenten direkt zukommen lassen. Die Erfahrungen zeigen ja, dass der Weg über die Banken letztlich nur zu immer größeren Spekulationsblasen führt und das Geld nicht bei den Bürgern ankommt. Das Bedingungslose Grundeinkommen lässt sich also auch als ein alternativer und sinnvoller Weg zur Geldversorgung einer Gesellschaft auffassen.
„Das bedingungslose Grundeinkommen – Götz Werner vs. Gerd Habermann“ (Einer der prominentesten Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens ist der Unternehmer Götz Werner. Einer der schärfsten Kritiker ist Gerd Habermann. Beide sind bei uns im Interview.), Christiane Wittenbecher am 01.02.2010 um 18:10 Uhr Nach Ansicht von Götz Werner würde das bedingungslose Grundeinkommen die Gesellschaft positiv verändern. Die Idee: Jeder würde einen bestimmten Betrag, der zum Leben notwendig ist, erhalten und könnte selbst entscheiden, was er machen will. Der Unternehmer Götz Werner ist einer der prominentesten Fürsprecher des bedingungslosen Grundeinkommens. Gerd Habermann kritisiert die Ideen von Werner. Aus seiner Sicht würde das bedingungslose Grundeinkommen zu einer immensen Abhängigkeit vom Staat führen. Habermann ist Wirtschaftsphilosoph und forscht momentan an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam.
3.1.1.2.4. Bedingungsloses Grundeinkommen
3.1.1.2. Sozialpolitik
Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) ist ein sozialpolitisches Finanztransfermodell, nach dem jeder Bürger unabhängig von seiner wirtschaftlichen Lage vom Staat eine gesetzlich festgelegte und für jeden gleiche finanzielle Zuwendung erhält, für die keine Gegenleistung erbracht werden muss. Das BGE soll so angelegt werden, dass es bereits ohne weitere Einkommen oder bedingte Sozialhilfe existenzsichernd wäre.
Es gibt viele unterschiedliche Vorstellungen, wie ein Grundeinkommen aussehen soll – sowohl was die Finanzierung angeht, als auch was die Ziele sein sollen: Wollen die einen in erster Linie die soziale Marktwirtschaft modernisieren, Bürokratie abbauen und das Steuersystem vereinfachen, geht es anderen Gruppen um die endgültige Überwindung des Prinzips Lohnarbeit.[1] Was in der Debatte um das BGE noch vollständig fehlt ist die Berücksichtigung der Auswirkung auf Familien.
Contra
Coming soon!
Positionen Gerd Habermann und Peter Mersch
Die Höhe des Grundeinkommens ist eine wichtige Frage. Ist es zu niedrig, verändert sich rein gar nichts oder macht im Gegenteil Dinge vielleicht sogar schlimmer für Menschen, die keine weitere Möglichkeit haben ihr Einkommen aufzustocken. Ist es zu hoch, steigt das Risiko von Unproduktivität aufgrund von Faulheit.
Der Wirtschaftswissenschaftler und ehemalige Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen Heiner Flassbeck meint, mit dem BGE werde „eine sinnlose Umverteilungsmaschine in Gang gesetzt“.[2]
Nach Ansicht von Gerd Habermann von der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer beruhe die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens auf einer Vorstellung von einem Staat, in dem alle auf Kosten aller anderen leben könnten. „Erstaunlich, welche exotischen Blüten aus dem Sumpfboden unseres Wohlfahrtsstaates wuchern“, sagt Gerd Habermann über das im BGE enthaltene „Recht auf Faulheit“. Mit der Idee eines BGE würden die Vorschläge „sozialistischer Utopien“ übertroffen, die stets eine staatlich gewährte Versorgungsgarantie des Bürgers mit seiner Arbeitspflicht verknüpfen. Dass das BGE mit dem durchaus christlichen Argument der „Menschenwürde“ durchgesetzt werden soll, hält der Katholik Habermann für unverständlich. Sollte es unwürdig sein, zwecks Selbsterhaltung fürs tägliche Brot nun mal arbeiten zu müssen? Doch einen Staat, in dem alle per Sozialhilfe auf Kosten aller anderen leben können, hält Habermann für völlig ungerecht.[3]
Die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen hat erhebliche Nebenwirkungen, die bisher kaum diskutiert wurden. Da ein Grundeinkommen für alle verlangt wird, wirkt es als flächendeckender Kombilohn, mit dem das gegenwärtige Tarifsystem untergraben wird. Konkrete Tagesforderungen wie die nach einem ausreichenden gesetzlichen Mindestlohn werden in den Hintergrund gedrängt. Es ist nicht auszuschließen, dass in Branchen mit Niedriglöhnen die Existenzsicherung dazu genutzt wird, die Löhne weiter zu drücken. Für andere unbeliebte Arbeit findet sich vielleicht niemand mehr, der sie erledigen will, weil die Notwendigkeit zur Annahme einer Arbeit wegfällt. Ein Schattenarbeitsmarkt mit illegal beschäftigten Arbeitern aus dem Ausland könnte die Folge sein.
Obwohl das kinderarme Deutschland Nachwuchs dringend braucht, so sind doch auch hier Seiteneffekte zu beachten. Drogenabhängige Frauen könnten sich über Schwangerschaften zusätzliches (Grund)Einkommen verschaffen, um damit ihre Sucht zu finanzieren. Antriebsschwache Hauptschulabbrecherinnen könnten versucht sein, sich über Babys ein Ersatzeinkommen zu verschaffen. Roma-Familien mit deutschem Pass könnten sich Heerscharen von Bettlerkindern staatlich finanzieren lassen. Die Motive der Menschen, warum sie Kinder bekommen, sind schwer zu steuern. Und wenn man die Existenzsicherung wieder an Bedingungen knüpfen will, wäre es ja kein „Bedingungsloses Grundeinkommen“ mehr.
Pro
Das ist allerdings nicht alles. Es gibt andere Aspekte, die das bedingungslose Grundeinkommen trotzdem interessant machen.
Zunächst einmal ist Sozialhilfe sehr teuer abseits der reinen Transferleistung. Die Bürokratie, welche die Bedürftigkeit prüfen muss, ist sehr aufwendig. Der Sozialbetrug ist hoch, der Kontrollaufwand immens. Der Journalist Henryk M. Broder hat in „Entweder Broder – Die Deutschland-Safari“ berichtet, dass nach der Einführung von Hartz4 allein in der Stadt Speyer im Sozialgericht von 6 auf 19 Kammern aufgestockt wurde. Die Kammern seien aber trotzdem überlastet, was Wartezeiten von bis zu zwei Jahren bedeute.[5] Es wird ein kostspieliger Aufwand betrieben und die aufgewendeten Mittel kommen nicht den Bedürftigen, sondern nur den Juristen und den Funktionären im Öffentlichen Dienst zu Gute. All diese Kosten, die von niemanden je beziffert wurden, würden mit der Einführung des Bedingungslosen Einkommens natürlich wegfallen. Damit ist zumindest ein Argument der Gegner hinsichtlich der Kosten relativiert.
Ein weiterer interessanter Gedankenansatz ist, das Bedingungslose Grundeinkommen nicht als Sicherung des Existenzminimums zu verstehen, sondern als Versorgung der Bevölkerung mit Geld. Geld gilt als universelles Tauschmittel und wo kein geeignetes Tauschmittel vorhanden ist, besteht ein ernstes Hindernis für wirtschaftliche Entwicklung. In Indien experimentiert man aus diesem Grund mit so genannten Mikrokrediten. Gerade in Zeiten der Euro-Krise und der de facto Pleite Griechenlands erleben wir, wie Milliarden und Abermilliarden von Euros in den Finanzkreislauf gepumpt werden und diese nur bei den Banken und in immer neuen Spekulationsblasen verschwinden. Da liegt es doch mehr als nahe, dieses Geld nicht bei den Banken einzuspeisen, sondern stattdessen an der Basis der Gesellschaft. Die Milliarden, die für die vermeintliche Bankenrettung ausgegeben werden, sind realwirtschaftlich ja auch nicht gedeckt, sodass das Gegenargument mit der fehlenden Gegenfinanzierung in sich zusammenfällt.
Die Tiroler Gemeinde Wörgl startet in der Weltwirtschaftskrise 1932 mit einer lokalen Tauschwährung ein Geldexperiment, das weltweit Aufsehen erregte. Das Problem bestand damals wie heute darin, dass das Geld in den Zinsenkanälen versickert und sich in den Händen weniger Menschen sammelt, die das Geld nicht mehr dem Warenmarkt zuführen, sondern als Spekulationsmittel zurückhalten. Die USA hatten damals in umfangreichem Stil Gold in Europa aufgekauft, als Reaktion mussten die österreichischen Banken die Menge ihres goldgedeckten Schillings reduzieren, um die Währung zu stabilisieren. In der Folge verfielen die Preise für Waren und Arbeit, der Konsum ging noch weiter zurück. Aus Finanznot musste der Wörgler Bürgermeister öffentliche Bauprojekte stoppen mit dem Ergebnis, dass es auf der einen Seite arbeitslose und verarmte Arbeitswillige und auf der anderen halbfertige Bauten und gefüllte Läden gab. Die Aufgabe war nun, wie er die Wirtschaft wieder in Schwung bringen könnte, ohne seine Bürger zu belasten oder sich Geld von Banken leihen zu müssen. Als Lösung erfand er Geld, das die Gemeinde selbst herstellt, mit ihm ihre Bauprojekte bezahlt, und das die Arbeiter in den Wörgler Läden gegen Waren tauschen können. Dieses Notgeld wurde mit einer Besonderheit verbunden: Die Scheine sollten stetig an Wert verlieren, monatlich ein Prozent. Damit sollte sichergestellt werden, dass niemand dieses Schwundgeld lange behalten würde, sondern es innerhalb eines Monates ausgeben. Auf diesem Weg sollte das Geld zum Fließen und die gesamte lokale Wirtschaft wieder in Schwung gebracht werden. Tatsächlich füllte sich die leere Rathauskasse rapide, denn um das Schwundgeld wieder loszuwerden, zahlten die Wörgler Steuern im Voraus. Während im übrigen Österreich die Arbeitslosigkeit stieg, nahm sie in Wörgl deutlich ab. Die österreichische Presse nannte den Erfolg „Das Wunder von Wörgl“.[6]
Die Idee ist nun, den Gedanken vom bedingungslosen Grundeinkommen mit dem Ansatz des Wörgler Schwundgeldes zu verbinden. Das bedingungslose Grundeinkommen ließe sich also durch Schwund, sprich Inflation, finanzieren. Der Einwand von Peter Mersch bezüglich der Konsumsteuer und der damit verbundenen möglichen Steuerhinterziehung wären damit vom Tisch. Die Inflation hätte dieselben Wirkung wie eine Konsumsteuer und zudem den Vorteil, nicht vermieden werden zu können.
Der grundlegende Gedanke bei dieser Sichtweise wäre nicht die soziale Grundsicherung (wie Hartz4), sondern die Grundversorgung einer Gesellschaft mit Geld.
Geld hätte dabei – zumindest ein Stück weit – die Bedeutung der Allmende, einem gemeinschaftlichen Gut, von dem niemand ausgeschlossen werden darf. So wie Straßen, öffentliche Verkehrsmittel, Schulen, Parteien, Energieversorgungsstruktur und Polizei einen Teil einer gesellschaftlichen Infrastruktur darstellen, die vorhanden ist auch wenn sie konkret nicht genutzt werden, so kann auch der allgemeine und bedingungslose Zugang zu Geld als Teil einer gesellschaftlich notwenig erachteten Infrastruktur aufgefasst werden. Ohne Zugang zu Geld ist heute praktisch eine Teilhabe am wirtschaftlichen Leben nicht möglich. Erst durch das Verfügen über Geld wird jeder zu einem Nachfrager von Dienstleistungen, potentiell aber auch zum Anbieter, und sei es nur die Betreuung minderjähriger Kinder einer berufstätigen Mutter.
Das bedingungslose Grundeinkommen wäre ein neuer Weg, um Liquidität – so der Fachbegriff – in einer Gesellschaft herzustellen. Der herkömmliche Weg geht von oben nach unten so: Der Staat verschuldet sich bei den Banken und hofft, dass die Banken das Geld an Firmen verleihen, wobei wieder gehofft wird, dass damit Arbeitsplätze geschaffen werden, womit dann über Lohnzahlungen das Geld bei denen ankommt, die man Konsumenten nennt. Wenn der Staat sich schon verschuldet – und wir wissen alle, dass das Geld nie zurückgezahlt werden wird – dann kann er zumindest teilweise das Geld den Konsumenten direkt zukommen lassen. Die Erfahrungen zeigen ja, dass der Weg über die Banken letztlich nur zu immer größeren Spekulationsblasen führt und das Geld nicht bei den Bürgern ankommt. Das Bedingungslose Grundeinkommen lässt sich also auch als ein alternativer und sinnvoller Weg zur Geldversorgung einer Gesellschaft auffassen.
Wird fortgesetzt!
Nach Ansicht von Götz Werner würde das bedingungslose Grundeinkommen die Gesellschaft positiv verändern. Die Idee: Jeder würde einen bestimmten Betrag, der zum Leben notwendig ist, erhalten und könnte selbst entscheiden, was er machen will. Der Unternehmer Götz Werner ist einer der prominentesten Fürsprecher des bedingungslosen Grundeinkommens.
Gerd Habermann kritisiert die Ideen von Werner. Aus seiner Sicht würde das bedingungslose Grundeinkommen zu einer immensen Abhängigkeit vom Staat führen. Habermann ist Wirtschaftsphilosoph und forscht momentan an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam.