In der Soziologie bezeichnet Atomisierung das in modernen Gesellschaften zurücktreten langfristiger Zugehörigkeiten (beispielsweise in Ehe und Familie) zugunsten einer jederzeit verfügbaren Lebensform des Einzelnen. Dem subjektiven Freiheitsgewinn steht dabei ein Verlust an sozialer Verflochtenheit gegenüber. In dem Maße aber, wie die Familie als soziales Sicherungsnetz ausfällt, muss der Staat heute teure soziale Infrastruktur vorhalten. Damit wird insbesondere die Sozialpolitik vor neue Aufgaben gestellt. Kein Wunder, dass immer mehr Sozialpolitiker die Bürger zu ehrenamtlichem Engagement ermuntern: Sie fürchten, dass die Versorgung der älter werdenden Singles sonst irgendwann unbezahlbar wird.
Der private Freiheitsgewinn durch Singularisierung wird letztlich durch Abhängigkeit vom Staat und seinen sozialen Sicherungssystemen erkauft. Abhängigkeit vom Staat führt aber wiederum zum Verlust individueller Freiheit. Wenn dem Staat keine starken und unabhängigen Familien mehr gegenüber stehen, dann wächst die Gefahr eines Totalen Staates, dem der vereinzelte Bürger machtlos gegenübersteht. Die vollkommene individuelle Freiheit muss also eine Illusion bleiben.
Diese soziologische Beschreibung lässt sich auch klinisch ausdrücken:
„Wenn wir einen Begriff aus der klinischen Psychologie verwenden wollen, dann können wir auch fragen, ob wir auf dem Wege zu einer autistischen Gesellschaft sind. Mit autistisch ist hier aber weniger ein individueller als ein sozialer Zustand gemeint, und zwar ein Zustand, in dem die Mitglieder der Gesellschaft sozial mehr und mehr zu Einzelgängern werden und ein vornehmlich auf sich selbst bezogenes Denken und Handeln erkennen lassen. […] Zu diesen geschwächten Gemeinschaften gehört auch die Institution Familie, zu deren überindividuellen Funktionen es gehört, den Nachwuchs für die Gesellschaft zu sichern. Es stellt sich deshalb die Frage, ob – was möglich erscheint – das Auflösen des Familienzusammenhangs bedeutet, dass die hochentwickelten Gesellschaften wegen unzureichend gesicherten Nachwuchses dazu tendieren, sich selbst aufzulösen. Es ist ohne Zweifel denkbar, dass die autistische Gesellschaft, in der ein hohes Maß an Freiheit und Individualität verwirklicht erscheint, den Höhepunkt und zugleich das Ende unserer Geschichte darstellt.“ [1]
Die gegenwärtige Scheidungsquote (2004) beträgt für Deutschland 2,59 Scheidungen je 1.000 Einwohner.[2][3]
In Deutschland wird aber nicht nur mehr geschieden, sondern auch weniger und später geheiratet. Das durchschnittliche Heiratsalter Lediger beträgt (2008) 30,0 Jahre bei Frauen und 33,0 Jahren bei Männern.[4] 1970 betrug das durchschnittliche Heiratsalter lediger westdeutscher Frauen noch 23,0 Jahre und lediger Männer 25,6 Jahre. Analog zum Anstieg des Heiratsalters stieg auch das Alter bei Geburt des ersten Kindes. Das durchschnittliche Alter von Frauen bei der Geburt ihres ersten ehelich geborenen Kindes lag 2003 bei 29,4 Jahren. In den 1960er-Jahren lag im früheren Bundesgebiet das durchschnittliche Alter bei knapp 25 Jahren.[5] Die gegenwärtige Heiratsrate (2008) beträgt für Deutschland 4,6 Eheschließungen je 1.000 Einwohner, 1950 waren es noch 10,8 je 1.000 Einwohner.[2]
Die Situation verschärft sich noch: Durch die fallende Heiratsrate gehen inzwischen in Deutschland die absoluten Scheidungszahlen zurück, von 214.000 (2003) auf 192.000 (2008). Dem stehen noch 377.000 (2008) Eheschließungen gegenüber.[2] Die fallenden Scheidungszahlen sind also kein gutes Zeichen, sondern bedeuten, dass die Bürger gar nicht erst heiraten. Interessant ist auch die Zahl der Scheidungswaisen zu betrachten, also die Anzahl der Kinder, die unter der Familienzerstörung leiden. 2003 waren unter 214.000 geschiedenen Ehen 108.000 Ehen mit minderjährigen Kindern wobei 170.000 minderjährige Kinder betroffen waren. 2008 waren unter 192.000 geschiedenen Ehen 94.500 Ehen mit minderjährigen Kindern wobei 150.000 minderjährige Kinder betroffen waren.[6] Dazu sind noch Trennungskinder aus unehelichen Beziehungen zu rechnen, sodass insgesamt in Deutschland mit rund 3,5 Mio. Trennungs- und Scheidungskinder zu rechnen ist.[7] Die Bundesgeschäftsführerin des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter schätzt die Zahl der unterhaltsberechtigten Kinder in Deutschland im Alter unter 18 Jahren auf rund 2,2 Millionen.[8] Diese Kinder leiden sehr häufig unter Scheidungstraumata, werden ihren Vätern entfremdet (in Einzelfällen ihren Müttern) und haben nicht selten das Los, sich in wechselnden Flickwerk-Familien mit immer neuen „Lebensabschnittsvätern“ zu arrangieren.
4.5. Die Atomisierung der Gesellschaft
In der Soziologie bezeichnet Atomisierung das in modernen Gesellschaften zurücktreten langfristiger Zugehörigkeiten (beispielsweise in Ehe und Familie) zugunsten einer jederzeit verfügbaren Lebensform des Einzelnen. Dem subjektiven Freiheitsgewinn steht dabei ein Verlust an sozialer Verflochtenheit gegenüber. In dem Maße aber, wie die Familie als soziales Sicherungsnetz ausfällt, muss der Staat heute teure soziale Infrastruktur vorhalten. Damit wird insbesondere die Sozialpolitik vor neue Aufgaben gestellt. Kein Wunder, dass immer mehr Sozialpolitiker die Bürger zu ehrenamtlichem Engagement ermuntern: Sie fürchten, dass die Versorgung der älter werdenden Singles sonst irgendwann unbezahlbar wird.
Der private Freiheitsgewinn durch Singularisierung wird letztlich durch Abhängigkeit vom Staat und seinen sozialen Sicherungssystemen erkauft. Abhängigkeit vom Staat führt aber wiederum zum Verlust individueller Freiheit. Wenn dem Staat keine starken und unabhängigen Familien mehr gegenüber stehen, dann wächst die Gefahr eines Totalen Staates, dem der vereinzelte Bürger machtlos gegenübersteht. Die vollkommene individuelle Freiheit muss also eine Illusion bleiben.
Diese soziologische Beschreibung lässt sich auch klinisch ausdrücken:
Die gegenwärtige Scheidungsquote (2004) beträgt für Deutschland 2,59 Scheidungen je 1.000 Einwohner.[2][3]
In Deutschland wird aber nicht nur mehr geschieden, sondern auch weniger und später geheiratet. Das durchschnittliche Heiratsalter Lediger beträgt (2008) 30,0 Jahre bei Frauen und 33,0 Jahren bei Männern.[4] 1970 betrug das durchschnittliche Heiratsalter lediger westdeutscher Frauen noch 23,0 Jahre und lediger Männer 25,6 Jahre. Analog zum Anstieg des Heiratsalters stieg auch das Alter bei Geburt des ersten Kindes. Das durchschnittliche Alter von Frauen bei der Geburt ihres ersten ehelich geborenen Kindes lag 2003 bei 29,4 Jahren. In den 1960er-Jahren lag im früheren Bundesgebiet das durchschnittliche Alter bei knapp 25 Jahren.[5] Die gegenwärtige Heiratsrate (2008) beträgt für Deutschland 4,6 Eheschließungen je 1.000 Einwohner, 1950 waren es noch 10,8 je 1.000 Einwohner.[2]
Die Situation verschärft sich noch: Durch die fallende Heiratsrate gehen inzwischen in Deutschland die absoluten Scheidungszahlen zurück, von 214.000 (2003) auf 192.000 (2008). Dem stehen noch 377.000 (2008) Eheschließungen gegenüber.[2] Die fallenden Scheidungszahlen sind also kein gutes Zeichen, sondern bedeuten, dass die Bürger gar nicht erst heiraten. Interessant ist auch die Zahl der Scheidungswaisen zu betrachten, also die Anzahl der Kinder, die unter der Familienzerstörung leiden. 2003 waren unter 214.000 geschiedenen Ehen 108.000 Ehen mit minderjährigen Kindern wobei 170.000 minderjährige Kinder betroffen waren. 2008 waren unter 192.000 geschiedenen Ehen 94.500 Ehen mit minderjährigen Kindern wobei 150.000 minderjährige Kinder betroffen waren.[6] Dazu sind noch Trennungskinder aus unehelichen Beziehungen zu rechnen, sodass insgesamt in Deutschland mit rund 3,5 Mio. Trennungs- und Scheidungskinder zu rechnen ist.[7] Die Bundesgeschäftsführerin des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter schätzt die Zahl der unterhaltsberechtigten Kinder in Deutschland im Alter unter 18 Jahren auf rund 2,2 Millionen.[8] Diese Kinder leiden sehr häufig unter Scheidungstraumata, werden ihren Vätern entfremdet (in Einzelfällen ihren Müttern) und haben nicht selten das Los, sich in wechselnden Flickwerk-Familien mit immer neuen „Lebensabschnittsvätern“ zu arrangieren.