Es gibt einen gewissen Sport in westlichen Gesellschaften, sich über Zensur in China und anderswo zu mokieren, und dem eigenen Volk vorzumachen, es gäbe hier Meinungsfreiheit. Die Zensur in der westlichen Welt arbeitet sehr subtil mit Sprachkodierungen und „politischer Richtigkeit“. Die Sprachmanipulationen aus dem vorherigen Abschnitt gehören dazu. Diese Art der Zensur ist sehr wirkmächtig.
Von der Zensur bis zu Denkverboten ist es dann nicht mehr weit.
Die veröffentlichte Meinung und das Recht auf Diskussion
„Es ist ganz offensichtlich, dass es in unserem Land eine öffentliche- und eine veröffentlichte Meinung gibt.“ [1]
Wenn Begriffe wie „Ehe“ und „Mutter“ erst einmal durch die Vertreter der „Politischen Korrektheit“ geächtet sind, dann wird ein Diskurs über die Familie sehr schwierig. Das musste auch Eva Herman erfahren, die als prominente Person – sie galt als beliebteste Tagesschau-Sprecherin Deutschlands – sich zum Thema Familie zu Wort meldete. Schon bald hatte die gesamte Mainstream-Presse sie als „Eva Braun“ diffamiert und zu einer Unperson degradiert, die angeblich die „Familienpolitik der Nazis“ verherrliche.[2]
Eva Herman verlor aufgrund dieser Machenschaften nicht nur ihre Anstellung beim Norddeutschen Rundfunk. Vielmehr wurde sie wie eine Aussätzige behandelt und so öffentlich isoliert. Wer sich trotzdem mit ihren Thesen zur Familienpolitik beschäftigt, begibt sich in Gefahr, öffentlich ebenfalls gebrandmarkt zu werden. Ein offener Diskurs, Merkmal einer freien Gesellschaft, wird so sehr wirkungsvoll bereits im Ansatz unterbunden.
Für all die, welche Vorbehalte gegenüber Frau Herman haben, sei ein anderes Beispiel angeführt, das mit dem in diesem Buch behandelten Thema nichts zu tun hat. Thilo Sarrazin hatte sich zum aktuellen Zustand der Stadt Berlin und deren Integrationsproblemen geäußert. Ob er in der Sache unter- oder übertreibt, ob er überhaupt richtig oder gänzlich falsch liegt, war schon wenige Tage nach dem Beginn der öffentlichen Diskussion um seine Einlassungen faktisch nebensächlich geworden.
Dass von der Anwerbung des ersten Arbeitnehmers aus dem Ausland bis hin zum heutigen Integrationsdilemma alles, aber auch alles falsch gemacht wurde, ist angesichts dessen, was jeder täglich beobachten und erfahren kann, einigermaßen evident. Das, was in Sachen Integration von Menschen, die nach Deutschland gekommen sind, gut und richtig gelaufen ist, ist eher aus Versehen und zufällig gelungen und vor allem deshalb, weil sich einzelne Menschen in ihrem konkreten Umfeld bemüht haben. Der Staat hat jedenfalls systematisch versagt und dieses Versagen wird durch das widerwärtige Ausmaß an Heuchelei stündlich, minütlich und sekündlich in allen Medien aller Orten bis in die Parteien, die Gewerkschaften, die Kirchen und jede private Wohnstube hinein, nicht nur verstärkt, sondern immer weiter in Richtung Unlösbarkeit getrieben.
Statt sich dem Diskurs zu stellen, veranstaltet man lieber eine Menschenjagd auf Sarrazin, die weder mit dem Gedanken des Grundgesetzes noch dem einer freien Gesellschaft in Einklang zu bringen ist. Und es ist Menschenjagd, was einzelne in der SPD, in den Gewerkschaften, in der Bundesbank oder in der Denunziantenpartei der Grünen gegen Sarrazin vom Zaun gebrochen haben. Auch das Verhalten des Bundesbankpräsidenten Alex Weber ist dabei unvornehm aufgefallen.[3]
Die Gesellschaft hat ein Recht auf Diskussion.
Dabei hat Sarrazin, genauso wie Herman, ein Recht auf Fairness. Was Sarrazin gesagt hat, muss gesagt werden dürfen, ohne, dass er persönlich vernichtet wird. Sarrazin hat ein Recht, mit dem was er gesagt hat, auf das Gegenargument. Und die Gesellschaft und die Bürger dieses Land haben ein Recht auf Diskussion. Die Reaktionen, die Sarrazin erzeugt hat, beweisen, dass das Thema Integration von einem gefährlichen Ungeist totgebügelt wird, obwohl es ein sehr virulentestes Thema der Gegenwart ist. Gleiches trifft auf Hermans Thema Familie zu.
Ein unerträgliches Gutmenschentum breitet sich, ähnlich wie die vom heiligen Zorn erfüllte Inquisition des Mittelalters, in unserer Gesellschaft aus. Es geht überhaupt nicht darum, ob Sarrazin oder Herman richtig oder falsch liegen, das wäre ein eigenes Thema für sich, das aber nur diskutiert werden kann, wenn Meinungsfreiheit und wenn Fakten herrschen, respektive eine Chance haben, erkannt zu werden. Wenn aber Angst verbreitet wird und Tabus aufgestellt, dann können die virulenten Themen der Gesellschaft nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert werden.
Das Ziel dieses Buches ist, diese Angst zu bekämpfen und das Tabu einzureißen, das einen Diskurs zur Verteidigung der Familie verhindert.
Dazu muss die Bevölkerung ermutigt werden, sich zu äußern und nicht wegzuschauen, wenn die Scharlatane der heutigen Zeit am Werke sind. Die Wegschauer-Mentalität der Deutschen ist berühmt, wenn Leute wie Sarrazin und Herman (und mit ihnen viele andere) einzustecken haben. Es sind viele selbst ernannte und aus sich selbst tätige Gesinnungspolizisten unterwegs, die einmal eine Herman und ein anderes Mal einen Sarrazin verfolgen. Um diesem Gesinnungspolizistentum entgegenzutreten, sollten Vokabeln wie „ausländerfeindlich, frauenfeindlich, kinderfeindlich“ und dergleichen mehr entlarvt werden, als das, was sie sind, nämlich unangenehme und nebulöse moralische Anwürfe, die keinem anderen Ziel als der Meinungsmache ad personam dienen. Und die Inflation solcher Begriffe zeigt, wie gefährlich solche schnell dahin gesagten Worthülsen sind.
Die Diskursverhinderer.
Dieses Buchprojekt sucht ebenfalls den Diskurs, deshalb war es interessant zu beobachten, wie Thilo Sarrazins Buchvorstellung bundesdeutsche Diskursverhinderer auf den Plan rief. Meinungsfreiheit und öffentlicher Diskurs sind wichtige Pfeiler einer demokratisch verfassten Gesellschaft. Es zeugt von der Verfasstheit der politischen Spitze in Deutschland, wenn ausgerechnet die Bundeskanzlerin Merkel den Rauswurf Sarrazins aus der Bundesbank forderte. Das tat sie natürlich nicht direkt, weil sie ja zumindest den Schein von der Selbstständigkeit der Bundesbank wahren musste. Deshalb drückte sie sich „diplomatisch“ aus, redete davon, dass Thilo Sarrazin „vollkommen inakzeptabel“ sei und überließ der Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU) die Klarstellung: „Sarrazin muss weg!“
Thilo Sarrazin betonte bei seiner Buchvorstellung, dass ein Diskurs der von ihm angesprochenen Themen in einer großen Volkspartei geführt werden müsse. SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel hingegen machte postwendend klar, dass in der SPD für einen solchen Diskurs kein Platz sei. Er forderte den Parteiausschluss Sarrazins mit der Begründung, Sarrazin habe sich mit seinen Äußerungen über Ausländer und Migranten „außerhalb der sozialdemokratischen Partei und Wertegemeinschaft begeben“.[4]
Wenn die Politkaste, mit der Regierungschefin Angela Merkel und dem SPD-Chef Sigmar Gabriel an der Spitze, mit ihrem Ansinnen durchdringen sollten, dann würde sie sich ins eigene Knie schießen. Die Politkasper müssten sich noch mehr als bisher in nichts sagende Floskeln üben, weil sie befürchten müssen, sich mit diskussionswürdigen Aussagen ins politische Aus zu manövrieren. Das wäre der Sargnagel für eine freiheitlich-demokratische Kultur.
Den Vogel schoss allerdings der Zentralrat der Juden ab, der Sarrazin den Eintritt in die rechtsextreme NPD empfahl. Das ist die Einladung zum Denkverbot. Mit der Rolle als Diskursverhinderer und Gesinnungspolizist erwirbt der Zentralrat keine Sympathiepunkte. Immerhin lag der Zentralrat der Juden mit dem Zentralrat der Muslime auf einer Linie, der sich zu der Entgleisung hinreißen ließ, Sarrazin einen Nazi zu nennen. Das ist die Gleichschaltung, von der schon Eva Herman sprach und wofür sie fürchterliche Prügel einstecken musste. Die BRD setzt wohlmöglich dazu an, die DDR bezüglich Zensur und Denkverbote links zu überholen.
Ein Kommentator schrieb unter einem Artikel der Financial Times Deutschland:
„Beim Lesen mancher Kommentare wächst meine Erkenntnis: Demokratie ist, wenn von der Zentralmeinung abweichende Äußerungen (selbst wenn sie belegbar und wahr sind) von allen Gutmenschen gemeinschaftlich bekämpft werden. Äußerst bedenklich finde die Tatsache, dass genau diejenigen am lautesten gegen Sarrazin wettern, die die angesprochenen Missstände zu verantworten haben. Bei Adolf hat das Desaster auch mit der Verfolgung Andersdenkender begonnen …“ egon sunsamu, 30.08.2010 – 10:23:21 Uhr [5]
Mit welchen Mitteln Abweichungen von der Zentralmeinung zukünftig bekämpft werden können, zeigt der gesetzgeberische Versuch, eine (politisch inkorrekte) Meinungsäußerung zu einer Volksverhetzung aufzublasen:
„Die Volksverhetzung ist schon jetzt mit Meinungsfreiheit kaum in Einklang zu kriegen. Nun soll die Strafvorschrift also auch noch für das Alltagsgeschäft tauglich gemacht werden. Potenzielle Täter sind künftig nicht mehr nur Menschen, die ihre Weltanschauung kommunizieren wollen und sich bewusst entsprechend artikulieren. Sondern jeder, der sich im Rahmen einer sozialen Interaktion dazu hinreißen lässt, sich unkorrekt zu äußern. Tatorte sind nicht mehr die politische Arena, sondern Schulhof, Straßenbahn und Werkshalle.“ [6]
Die politische Korrektheit
Die Kultur der politischen Korrektheit stammt aus den USA und ist besser dazu geeignet, den öffentlichen Diskurs zu lenken, als dies die gute alte Zensur konnte. Die klassische Zensur hat Tageszeitungen geschwärzt, hat Bußgelder verhängt und Redakteure eingesperrt. Der Zensor hat dabei die Rolle des Bösen, was auf die Dauer nachteilig ist. Die politische Korrektheit geht anders vor. Sie gibt jedem das Recht, alles zu sagen und zu schreiben, was er möchte. Wer aber nun unliebsame Dinge sagt oder aus Sicht der Herrschenden gefährliches Gedankengut publiziert, der wird in die „rechte Ecke“ gestellt, als „rechtsextrem“, „frauenfeindlich“ oder „ausländerfeindlich“ diffamiert. Der Zensor nimmt hierbei die Rolle des Gutmenschen ein und das Opfer, der Zensierte, wird plötzlich zum „Täter“.
Aus der Gruppe der Familienzerstörer, die bereits im Einzelnen vorgestellt wurden, hat vor allem die HelferInnenindustrie ihre Pfründe zu verlieren. Die muss nur ihre Meinungsmacher gezielt zum Einsatz bringen, um jede Kritik klein zu halten. Diese Strategie ist sehr geschickt, weil ihre Akteure in der Öffentlichkeit nicht als Zensor, sondern als „Anwalt“ der von ihnen betreuten „Opfer“ wahrgenommen werden. So kann die Zensur sogar die Sympathie der öffentlichen Meinung erreichen und ist damit möglicherweise mächtiger und wirkungsvoller als es eine zentral gesteuerte Zensur sein könnte. Die Familienzerstörer inszenieren sehr öffentlichkeitswirksam ihre Betroffenheit und Empörung, stellen sich demonstrativ vor die vermeintlichen Opfer und zeigen mit moralischem Vorwurf den anklagenden Finger auf die Kritiker. Durch dieses Schauspiel sind nicht mehr die Zensoren die Bösen, sondern der Dissident.
Als Feind gilt heute nicht mehr der Mensch mit jüdischer Kultur und Religion, sondern derjenige, der sich nicht der politischen Korrektheit und deren öffentlichen Denk- und Sprechverboten beugt. Die Exzesse der „Political Correctness“ drohen sich zu einer ernsthaften Gefahr für unsere Demokratie und insbesondere für unsere Meinungsfreiheit zu entwickeln. Die Empörungsmaschinerie wird von Betroffenheitspolitikern gut geölt und die Liste jener, die der politischen Korrektheit zum Opfer fallen, wird von Tag zu Tag länger.
Auf dem Weg in die Gesinnungsdiktatur und zum Meinungsmonopol.
Es hat nur noch bedingt etwas mit Demokratie zu tun, wenn eine kleine Minderheit darüber entscheidet, wer sprechen darf beziehungsweise worüber gesprochen werden darf. Darum droht hier auch die größte Gefahr für die Demokratie. Die allgegenwärtige Political Correctness will eine künstliche Meinungshomogenität erzeugen. Ein fairer und offener Disput wird schlichtweg außer Kraft gesetzt. Freie Meinungen und Gedanken werden in bestimmte Bahnen gelenkt, um ein Meinungsmonopol zu errichten. Das reicht bis in den Alltag hinein. Eine solche Gesinnungsmanipulation ist kein neues Phänomen. Erinnert sei nur an die Schreckensherrschaft von Robespierre während der Französischen Revolution. Robespierre machte den Staat zu einem Gesinnungserzieher. Ihm genügte es nicht, dass sich die Bürger brav an die Gesetze hielten. Er wollte, dass sie auch die richtige Gesinnung – nämlich die republikanische Tugendgesinnung – entwickelten. Um dieses Ziel zu erreichen, erfand er sogar eine neue Staatsreligion: den „Kult des höchsten Wesens“. Auf diese Weise dauerte es nicht lange, bis aus der Demokratie ein Terrorsystem geworden war, in dem jeder, der eine abweichende Haltung vertrat, damit rechnen musste, sein Leben durch die Guillotine zu verlieren – das alles im Namen von Liberté, Egalité und Fraternité. Heute muss niemand mehr um sein Leben fürchten, nur weil er eine abweichende Meinung vertritt. Aber es kann durchaus sein, dass jemand seinen Job verliert, weil er sich nicht einem vermeintlichen geistigen Mainstream unterwirft. Unter Robespierre hieß die Staatsreligion noch „Kult des höchsten Wesens“. Heute heißt sie: „Kult der Politischen Korrektheit“.
Sprachnormierungen und die Utopie der Gleichheit.
Die Political Correctness, wie wir sie heute kennen, hat ihren Ursprung in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung beziehungsweise in der Gleichberechtigungsbewegung. Ausgehend von den nordamerikanischen Universitäten setzte die PC-Bewegung seit den 60er Jahren zu einem unvergleichlichen Siegeszug an. Die linken Protestler verbanden mit der Political Correctness die Hoffnung, dass eine veränderte Sprache auch Diskriminierungen von benachteiligten Gruppen – vor allem die Diskriminierung der schwarzen Minderheit und die Diskriminierung der Frauen – abschaffen würde. Kontinuierlich wurde ein rigider Sprachkodex kreiert, der schließlich allen nur denkbaren Minderheiten gerecht werden sollte. Als Allzweckwaffe der Bedenkenträger steigerten sich die politisch korrekten Sprachnormierungen bis ins Absurde. Alle Minderheiten mit ihren individuellen Anliegen sollten berücksichtigt werden. Dass dies zum Scheitern verurteilt ist, müsste eigentlich jeder einsehen.
Die Daseinsberechtigung der Sprachmanipulierer.
Die Komplexität der politisch korrekten Sprache wird noch dadurch gesteigert, dass sich die entsprechenden Begriffe in rasanter Geschwindigkeit abnutzen. Begriffe, die gestern noch politisch korrekt waren, sind heute schon überkommen und gelten als diskriminierend. Sei es aus Übereifer, sei es aus reiner Daseinsrechtfertigung: In regelmäßigen Abständen frisst die Political Correctness ihre eigenen Wortschöpfungen, nur um anschließend neue Begriffe auszuspeien. Zur Verdeutlichung: Die politisch korrekte Bezeichnung der Nachkommen der afrikanischen Sklaven – oder politisch korrekt gesagt: der versklavten Afrikaner (hierauf wird Wert gelegt) – ist in Amerika bekanntlich von entscheidender Bedeutung. Eine Diskussion hierüber ist nur mit äußerster Sensibilität zu führen. Wer sich an dieses Thema wagt, sollte schon wissen, worauf er sich einlässt. An der Bezeichnung jener, die früher „Neger“ genannt wurden, lassen sich die Entwicklungsschritte gut verdeutlichen. Das abwertende „Neger“ oder „Nigger“ wurde durch „colored people“ ersetzt. „Colored people“ wurde wiederum zu „black people“. Und die „black people“ wichen schließlich den „Afro-Americans“ oder später den „African Americans“. Zurzeit wird die Bezeichnung „persons of African race“ favorisiert. Es wird nicht mehr lange dauern bis die Araber Nordafrikas dagegen aufbegehren. Was letztendlich durch diese zahlreichen Umbenennungen erreicht wurde, ist nicht eine gesellschaftliche Besserstellung der Schwarzen, sondern nur ein hohes Maß an Verwirrung und Unsicherheit in der Bevölkerung.
Die absurde Suche nach immer neuen Begriffen führt ins Lächerliche. Wir sollten stattdessen darauf achten, eine Sprache zu bemühen, die Sachverhalte klar und verständlich ausspricht, ohne Menschen zu verletzen oder zu entwürdigen. Die Wahrheit kann weh tun, darf aber nicht verletzen. Eine interessante Sammlung von politisch korrekten Stilblüten hat der italienische Schriftsteller Umberto Eco in seinem Buch „Im Krebsgang voran“ zusammengestellt. Sie haben zwar noch nicht alle Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden. Einige hätten es aber schon allein aufgrund ihrer Originalität und ihres hohen Unterhaltungswertes verdient. So sollte beispielsweise ein Knastinsasse politisch korrekt besser als „sozial Separierter“ bezeichnet werden, ein Cowboy besser als „Funktionär der Rinderkontrolle“, ein Erdbeben als „geologische Korrektur“, ein Obdachloser als „residentiell flexibel“. Wer impotent ist, ist „erektional begrenzt“. Wer kleinwüchsig ist, ist „vertikal benachteiligt“ beziehungsweise „vertikal herausgefordert“. Der Glatzkopf leidet nicht unter Haarausfall, sondern unter „follikulärer Regression“. So sind denn in der Welt der politisch Korrekten alle wichtigen Probleme gelöst: von der Impotenz bis zum Haarausfall. Man kann sich das Schmunzeln nicht verkneifen. Dennoch sind diese Bezeichnungen alle ernst gemeint.
Feministische Sprachpolitik als Mittel der Manipulation und Zensur.
Die Liste der politisch korrekten Sprachungeheuer ließe sich beliebig fortsetzen. Wir alle kennen wahrscheinlich noch zahlreiche andere Beispiele. Der Soziologe Rainer Paris hat eine passende Bezeichnung für dieses rhetorische Umerziehungsprogramm gefunden: Bescheuertheit. Als Paradefall für die Etablierung der Bescheuertheit führt Paris die feministische Sprachpolitik an. Noch vor wenigen Jahrzehnten konnte man es sich durchaus leisten, sich in einer Rede lediglich an „alle Bürger“ zu wenden. „Bürger“, das bedeutet nun mal die Gesamtheit aller Einwohner: Frauen und Männer, Mädchen und Jungen, Alte und Junge. Niemand wird ernsthaft durch den Begriff „Bürger“ ausgegrenzt oder diskriminiert – er ist umfassend. Durch die feministische Daueragitation ist es aber zu einer Veränderung der Hörgewohnheiten gekommen. Es gibt mittlerweile keine grammatikalische Form mehr, keine Wortbedeutung und keine Formulierung, die nicht im Namen der Politischen Korrektheit auf ihre vorgebliche „Männlichkeit“ oder ihren latenten patriarchalischen Herrschaftsgehalt durchleuchtet wurde. Die Folge, mit der wir alle leben müssen, ist ein grausam entstellendes Quotendeutsch. Wie selbstverständlich nehmen wir es heute hin, als „Bürgerinnen und Bürger“, als „Studentinnen und Studenten“, als „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ angesprochen zu werden. Die verschärfte Form der politisch korrekten Bescheuertheit hat vor allem Eingang in die Schriftsprache gefunden: das bei Feministinnen und Gender-Mainstreaming-Anhängern allseits beliebte Binnen-I. Das heißt ein großes „i“ in der Mitte des Wortes, das eine geschlechtsneutrale oder besser gesagt eine bisexuelle Umdeutung des Wortes anzeigen soll: also LehrerInnen mit großem „i“ statt „Lehrerinnen und Lehrer“.
Feministische Sprachpolitik als Mittel der Manipulation und Zensur.
Nur nebenbei bemerkt: Das Binnen-I findet sich fast ausschließlich als Anhang von positiven oder zumindest neutral besetzten Wörtern wie ProfessorInnen, KünstlerInnen etc. Haben Sie schon einmal von VerbrecherInnen, MörderInnen oder TerroristInnen gehört? Auch von den Wörtern Folterknechtin (oder besser Foltermagd), Faulpelzin oder Dickschädelin hat Gender-Mainstreaming bisher die Finger gelassen. Der Gipfel feministischer Sprachabsurditäten ist aber noch lange nicht erreicht. Politische Korrektheit macht nämlich auch vor Logik keinen Halt. Die ehemalige Berliner Frauensenatorin Anne Klein machte sich damit unsterblich, dass sie einmal die weiblichen Mitglieder des Berliner Senats mit „Liebe Mitgliederinnen“ ansprach.
Einigen Gender-Mainstreaming-Jüngern beziehungsweise -Jüngerinnen ist nämlich aufgefallen, dass das Pronomen „man“ (wohlgemerkt mit einem n) doch recht diskriminierend sei. Ihr Vorschlag lautet daher, es durch das kleingeschriebene Pronomen „mensch“ zu ersetzen.[7]
[7]Jörg Schönbohm: „Das Schlachtfeld der Tugendwächter. Political Correctness: Der Amoklauf von Gutmenschen und Gesinnungsgouvernanten.“, DS-Magazin (Der Selbstständige 9/10 2008)
4.6.2. Die Zensur
Es gibt einen gewissen Sport in westlichen Gesellschaften, sich über Zensur in China und anderswo zu mokieren, und dem eigenen Volk vorzumachen, es gäbe hier Meinungsfreiheit. Die Zensur in der westlichen Welt arbeitet sehr subtil mit Sprachkodierungen und „politischer Richtigkeit“. Die Sprachmanipulationen aus dem vorherigen Abschnitt gehören dazu. Diese Art der Zensur ist sehr wirkmächtig.
Von der Zensur bis zu Denkverboten ist es dann nicht mehr weit.
Die veröffentlichte Meinung und das Recht auf Diskussion
Wenn Begriffe wie „Ehe“ und „Mutter“ erst einmal durch die Vertreter der „Politischen Korrektheit“ geächtet sind, dann wird ein Diskurs über die Familie sehr schwierig. Das musste auch Eva Herman erfahren, die als prominente Person – sie galt als beliebteste Tagesschau-Sprecherin Deutschlands – sich zum Thema Familie zu Wort meldete. Schon bald hatte die gesamte Mainstream-Presse sie als „Eva Braun“ diffamiert und zu einer Unperson degradiert, die angeblich die „Familienpolitik der Nazis“ verherrliche.[2]
Eva Herman verlor aufgrund dieser Machenschaften nicht nur ihre Anstellung beim Norddeutschen Rundfunk. Vielmehr wurde sie wie eine Aussätzige behandelt und so öffentlich isoliert. Wer sich trotzdem mit ihren Thesen zur Familienpolitik beschäftigt, begibt sich in Gefahr, öffentlich ebenfalls gebrandmarkt zu werden. Ein offener Diskurs, Merkmal einer freien Gesellschaft, wird so sehr wirkungsvoll bereits im Ansatz unterbunden.
Für all die, welche Vorbehalte gegenüber Frau Herman haben, sei ein anderes Beispiel angeführt, das mit dem in diesem Buch behandelten Thema nichts zu tun hat. Thilo Sarrazin hatte sich zum aktuellen Zustand der Stadt Berlin und deren Integrationsproblemen geäußert. Ob er in der Sache unter- oder übertreibt, ob er überhaupt richtig oder gänzlich falsch liegt, war schon wenige Tage nach dem Beginn der öffentlichen Diskussion um seine Einlassungen faktisch nebensächlich geworden.
Dass von der Anwerbung des ersten Arbeitnehmers aus dem Ausland bis hin zum heutigen Integrationsdilemma alles, aber auch alles falsch gemacht wurde, ist angesichts dessen, was jeder täglich beobachten und erfahren kann, einigermaßen evident. Das, was in Sachen Integration von Menschen, die nach Deutschland gekommen sind, gut und richtig gelaufen ist, ist eher aus Versehen und zufällig gelungen und vor allem deshalb, weil sich einzelne Menschen in ihrem konkreten Umfeld bemüht haben. Der Staat hat jedenfalls systematisch versagt und dieses Versagen wird durch das widerwärtige Ausmaß an Heuchelei stündlich, minütlich und sekündlich in allen Medien aller Orten bis in die Parteien, die Gewerkschaften, die Kirchen und jede private Wohnstube hinein, nicht nur verstärkt, sondern immer weiter in Richtung Unlösbarkeit getrieben.
Statt sich dem Diskurs zu stellen, veranstaltet man lieber eine Menschenjagd auf Sarrazin, die weder mit dem Gedanken des Grundgesetzes noch dem einer freien Gesellschaft in Einklang zu bringen ist. Und es ist Menschenjagd, was einzelne in der SPD, in den Gewerkschaften, in der Bundesbank oder in der Denunziantenpartei der Grünen gegen Sarrazin vom Zaun gebrochen haben. Auch das Verhalten des Bundesbankpräsidenten Alex Weber ist dabei unvornehm aufgefallen.[3]
Dabei hat Sarrazin, genauso wie Herman, ein Recht auf Fairness. Was Sarrazin gesagt hat, muss gesagt werden dürfen, ohne, dass er persönlich vernichtet wird. Sarrazin hat ein Recht, mit dem was er gesagt hat, auf das Gegenargument. Und die Gesellschaft und die Bürger dieses Land haben ein Recht auf Diskussion. Die Reaktionen, die Sarrazin erzeugt hat, beweisen, dass das Thema Integration von einem gefährlichen Ungeist totgebügelt wird, obwohl es ein sehr virulentestes Thema der Gegenwart ist. Gleiches trifft auf Hermans Thema Familie zu.
Ein unerträgliches Gutmenschentum breitet sich, ähnlich wie die vom heiligen Zorn erfüllte Inquisition des Mittelalters, in unserer Gesellschaft aus. Es geht überhaupt nicht darum, ob Sarrazin oder Herman richtig oder falsch liegen, das wäre ein eigenes Thema für sich, das aber nur diskutiert werden kann, wenn Meinungsfreiheit und wenn Fakten herrschen, respektive eine Chance haben, erkannt zu werden. Wenn aber Angst verbreitet wird und Tabus aufgestellt, dann können die virulenten Themen der Gesellschaft nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert werden.
Das Ziel dieses Buches ist, diese Angst zu bekämpfen und das Tabu einzureißen, das einen Diskurs zur Verteidigung der Familie verhindert.
Dazu muss die Bevölkerung ermutigt werden, sich zu äußern und nicht wegzuschauen, wenn die Scharlatane der heutigen Zeit am Werke sind. Die Wegschauer-Mentalität der Deutschen ist berühmt, wenn Leute wie Sarrazin und Herman (und mit ihnen viele andere) einzustecken haben. Es sind viele selbst ernannte und aus sich selbst tätige Gesinnungspolizisten unterwegs, die einmal eine Herman und ein anderes Mal einen Sarrazin verfolgen. Um diesem Gesinnungspolizistentum entgegenzutreten, sollten Vokabeln wie „ausländerfeindlich, frauenfeindlich, kinderfeindlich“ und dergleichen mehr entlarvt werden, als das, was sie sind, nämlich unangenehme und nebulöse moralische Anwürfe, die keinem anderen Ziel als der Meinungsmache ad personam dienen. Und die Inflation solcher Begriffe zeigt, wie gefährlich solche schnell dahin gesagten Worthülsen sind.
Dieses Buchprojekt sucht ebenfalls den Diskurs, deshalb war es interessant zu beobachten, wie Thilo Sarrazins Buchvorstellung bundesdeutsche Diskursverhinderer auf den Plan rief. Meinungsfreiheit und öffentlicher Diskurs sind wichtige Pfeiler einer demokratisch verfassten Gesellschaft. Es zeugt von der Verfasstheit der politischen Spitze in Deutschland, wenn ausgerechnet die Bundeskanzlerin Merkel den Rauswurf Sarrazins aus der Bundesbank forderte. Das tat sie natürlich nicht direkt, weil sie ja zumindest den Schein von der Selbstständigkeit der Bundesbank wahren musste. Deshalb drückte sie sich „diplomatisch“ aus, redete davon, dass Thilo Sarrazin „vollkommen inakzeptabel“ sei und überließ der Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU) die Klarstellung: „Sarrazin muss weg!“
Thilo Sarrazin betonte bei seiner Buchvorstellung, dass ein Diskurs der von ihm angesprochenen Themen in einer großen Volkspartei geführt werden müsse. SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel hingegen machte postwendend klar, dass in der SPD für einen solchen Diskurs kein Platz sei. Er forderte den Parteiausschluss Sarrazins mit der Begründung, Sarrazin habe sich mit seinen Äußerungen über Ausländer und Migranten „außerhalb der sozialdemokratischen Partei und Wertegemeinschaft begeben“.[4]
Wenn die Politkaste, mit der Regierungschefin Angela Merkel und dem SPD-Chef Sigmar Gabriel an der Spitze, mit ihrem Ansinnen durchdringen sollten, dann würde sie sich ins eigene Knie schießen. Die Politkasper müssten sich noch mehr als bisher in nichts sagende Floskeln üben, weil sie befürchten müssen, sich mit diskussionswürdigen Aussagen ins politische Aus zu manövrieren. Das wäre der Sargnagel für eine freiheitlich-demokratische Kultur.
Den Vogel schoss allerdings der Zentralrat der Juden ab, der Sarrazin den Eintritt in die rechtsextreme NPD empfahl. Das ist die Einladung zum Denkverbot. Mit der Rolle als Diskursverhinderer und Gesinnungspolizist erwirbt der Zentralrat keine Sympathiepunkte. Immerhin lag der Zentralrat der Juden mit dem Zentralrat der Muslime auf einer Linie, der sich zu der Entgleisung hinreißen ließ, Sarrazin einen Nazi zu nennen. Das ist die Gleichschaltung, von der schon Eva Herman sprach und wofür sie fürchterliche Prügel einstecken musste. Die BRD setzt wohlmöglich dazu an, die DDR bezüglich Zensur und Denkverbote links zu überholen.
Ein Kommentator schrieb unter einem Artikel der Financial Times Deutschland:
Mit welchen Mitteln Abweichungen von der Zentralmeinung zukünftig bekämpft werden können, zeigt der gesetzgeberische Versuch, eine (politisch inkorrekte) Meinungsäußerung zu einer Volksverhetzung aufzublasen:
Die politische Korrektheit
Die Kultur der politischen Korrektheit stammt aus den USA und ist besser dazu geeignet, den öffentlichen Diskurs zu lenken, als dies die gute alte Zensur konnte. Die klassische Zensur hat Tageszeitungen geschwärzt, hat Bußgelder verhängt und Redakteure eingesperrt. Der Zensor hat dabei die Rolle des Bösen, was auf die Dauer nachteilig ist. Die politische Korrektheit geht anders vor. Sie gibt jedem das Recht, alles zu sagen und zu schreiben, was er möchte. Wer aber nun unliebsame Dinge sagt oder aus Sicht der Herrschenden gefährliches Gedankengut publiziert, der wird in die „rechte Ecke“ gestellt, als „rechtsextrem“, „frauenfeindlich“ oder „ausländerfeindlich“ diffamiert. Der Zensor nimmt hierbei die Rolle des Gutmenschen ein und das Opfer, der Zensierte, wird plötzlich zum „Täter“.
Aus der Gruppe der Familienzerstörer, die bereits im Einzelnen vorgestellt wurden, hat vor allem die HelferInnenindustrie ihre Pfründe zu verlieren. Die muss nur ihre Meinungsmacher gezielt zum Einsatz bringen, um jede Kritik klein zu halten. Diese Strategie ist sehr geschickt, weil ihre Akteure in der Öffentlichkeit nicht als Zensor, sondern als „Anwalt“ der von ihnen betreuten „Opfer“ wahrgenommen werden. So kann die Zensur sogar die Sympathie der öffentlichen Meinung erreichen und ist damit möglicherweise mächtiger und wirkungsvoller als es eine zentral gesteuerte Zensur sein könnte. Die Familienzerstörer inszenieren sehr öffentlichkeitswirksam ihre Betroffenheit und Empörung, stellen sich demonstrativ vor die vermeintlichen Opfer und zeigen mit moralischem Vorwurf den anklagenden Finger auf die Kritiker. Durch dieses Schauspiel sind nicht mehr die Zensoren die Bösen, sondern der Dissident.
Als Feind gilt heute nicht mehr der Mensch mit jüdischer Kultur und Religion, sondern derjenige, der sich nicht der politischen Korrektheit und deren öffentlichen Denk- und Sprechverboten beugt. Die Exzesse der „Political Correctness“ drohen sich zu einer ernsthaften Gefahr für unsere Demokratie und insbesondere für unsere Meinungsfreiheit zu entwickeln. Die Empörungsmaschinerie wird von Betroffenheitspolitikern gut geölt und die Liste jener, die der politischen Korrektheit zum Opfer fallen, wird von Tag zu Tag länger.
Es hat nur noch bedingt etwas mit Demokratie zu tun, wenn eine kleine Minderheit darüber entscheidet, wer sprechen darf beziehungsweise worüber gesprochen werden darf. Darum droht hier auch die größte Gefahr für die Demokratie. Die allgegenwärtige Political Correctness will eine künstliche Meinungshomogenität erzeugen. Ein fairer und offener Disput wird schlichtweg außer Kraft gesetzt. Freie Meinungen und Gedanken werden in bestimmte Bahnen gelenkt, um ein Meinungsmonopol zu errichten. Das reicht bis in den Alltag hinein. Eine solche Gesinnungsmanipulation ist kein neues Phänomen. Erinnert sei nur an die Schreckensherrschaft von Robespierre während der Französischen Revolution. Robespierre machte den Staat zu einem Gesinnungserzieher. Ihm genügte es nicht, dass sich die Bürger brav an die Gesetze hielten. Er wollte, dass sie auch die richtige Gesinnung – nämlich die republikanische Tugendgesinnung – entwickelten. Um dieses Ziel zu erreichen, erfand er sogar eine neue Staatsreligion: den „Kult des höchsten Wesens“. Auf diese Weise dauerte es nicht lange, bis aus der Demokratie ein Terrorsystem geworden war, in dem jeder, der eine abweichende Haltung vertrat, damit rechnen musste, sein Leben durch die Guillotine zu verlieren – das alles im Namen von Liberté, Egalité und Fraternité. Heute muss niemand mehr um sein Leben fürchten, nur weil er eine abweichende Meinung vertritt. Aber es kann durchaus sein, dass jemand seinen Job verliert, weil er sich nicht einem vermeintlichen geistigen Mainstream unterwirft. Unter Robespierre hieß die Staatsreligion noch „Kult des höchsten Wesens“. Heute heißt sie: „Kult der Politischen Korrektheit“.
Die Political Correctness, wie wir sie heute kennen, hat ihren Ursprung in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung beziehungsweise in der Gleichberechtigungsbewegung. Ausgehend von den nordamerikanischen Universitäten setzte die PC-Bewegung seit den 60er Jahren zu einem unvergleichlichen Siegeszug an. Die linken Protestler verbanden mit der Political Correctness die Hoffnung, dass eine veränderte Sprache auch Diskriminierungen von benachteiligten Gruppen – vor allem die Diskriminierung der schwarzen Minderheit und die Diskriminierung der Frauen – abschaffen würde. Kontinuierlich wurde ein rigider Sprachkodex kreiert, der schließlich allen nur denkbaren Minderheiten gerecht werden sollte. Als Allzweckwaffe der Bedenkenträger steigerten sich die politisch korrekten Sprachnormierungen bis ins Absurde. Alle Minderheiten mit ihren individuellen Anliegen sollten berücksichtigt werden. Dass dies zum Scheitern verurteilt ist, müsste eigentlich jeder einsehen.
Die Komplexität der politisch korrekten Sprache wird noch dadurch gesteigert, dass sich die entsprechenden Begriffe in rasanter Geschwindigkeit abnutzen. Begriffe, die gestern noch politisch korrekt waren, sind heute schon überkommen und gelten als diskriminierend. Sei es aus Übereifer, sei es aus reiner Daseinsrechtfertigung: In regelmäßigen Abständen frisst die Political Correctness ihre eigenen Wortschöpfungen, nur um anschließend neue Begriffe auszuspeien. Zur Verdeutlichung: Die politisch korrekte Bezeichnung der Nachkommen der afrikanischen Sklaven – oder politisch korrekt gesagt: der versklavten Afrikaner (hierauf wird Wert gelegt) – ist in Amerika bekanntlich von entscheidender Bedeutung. Eine Diskussion hierüber ist nur mit äußerster Sensibilität zu führen. Wer sich an dieses Thema wagt, sollte schon wissen, worauf er sich einlässt. An der Bezeichnung jener, die früher „Neger“ genannt wurden, lassen sich die Entwicklungsschritte gut verdeutlichen. Das abwertende „Neger“ oder „Nigger“ wurde durch „colored people“ ersetzt. „Colored people“ wurde wiederum zu „black people“. Und die „black people“ wichen schließlich den „Afro-Americans“ oder später den „African Americans“. Zurzeit wird die Bezeichnung „persons of African race“ favorisiert. Es wird nicht mehr lange dauern bis die Araber Nordafrikas dagegen aufbegehren. Was letztendlich durch diese zahlreichen Umbenennungen erreicht wurde, ist nicht eine gesellschaftliche Besserstellung der Schwarzen, sondern nur ein hohes Maß an Verwirrung und Unsicherheit in der Bevölkerung.
Die absurde Suche nach immer neuen Begriffen führt ins Lächerliche. Wir sollten stattdessen darauf achten, eine Sprache zu bemühen, die Sachverhalte klar und verständlich ausspricht, ohne Menschen zu verletzen oder zu entwürdigen. Die Wahrheit kann weh tun, darf aber nicht verletzen. Eine interessante Sammlung von politisch korrekten Stilblüten hat der italienische Schriftsteller Umberto Eco in seinem Buch „Im Krebsgang voran“ zusammengestellt. Sie haben zwar noch nicht alle Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden. Einige hätten es aber schon allein aufgrund ihrer Originalität und ihres hohen Unterhaltungswertes verdient. So sollte beispielsweise ein Knastinsasse politisch korrekt besser als „sozial Separierter“ bezeichnet werden, ein Cowboy besser als „Funktionär der Rinderkontrolle“, ein Erdbeben als „geologische Korrektur“, ein Obdachloser als „residentiell flexibel“. Wer impotent ist, ist „erektional begrenzt“. Wer kleinwüchsig ist, ist „vertikal benachteiligt“ beziehungsweise „vertikal herausgefordert“. Der Glatzkopf leidet nicht unter Haarausfall, sondern unter „follikulärer Regression“. So sind denn in der Welt der politisch Korrekten alle wichtigen Probleme gelöst: von der Impotenz bis zum Haarausfall. Man kann sich das Schmunzeln nicht verkneifen. Dennoch sind diese Bezeichnungen alle ernst gemeint.
Die Liste der politisch korrekten Sprachungeheuer ließe sich beliebig fortsetzen. Wir alle kennen wahrscheinlich noch zahlreiche andere Beispiele. Der Soziologe Rainer Paris hat eine passende Bezeichnung für dieses rhetorische Umerziehungsprogramm gefunden: Bescheuertheit. Als Paradefall für die Etablierung der Bescheuertheit führt Paris die feministische Sprachpolitik an. Noch vor wenigen Jahrzehnten konnte man es sich durchaus leisten, sich in einer Rede lediglich an „alle Bürger“ zu wenden. „Bürger“, das bedeutet nun mal die Gesamtheit aller Einwohner: Frauen und Männer, Mädchen und Jungen, Alte und Junge. Niemand wird ernsthaft durch den Begriff „Bürger“ ausgegrenzt oder diskriminiert – er ist umfassend. Durch die feministische Daueragitation ist es aber zu einer Veränderung der Hörgewohnheiten gekommen. Es gibt mittlerweile keine grammatikalische Form mehr, keine Wortbedeutung und keine Formulierung, die nicht im Namen der Politischen Korrektheit auf ihre vorgebliche „Männlichkeit“ oder ihren latenten patriarchalischen Herrschaftsgehalt durchleuchtet wurde. Die Folge, mit der wir alle leben müssen, ist ein grausam entstellendes Quotendeutsch. Wie selbstverständlich nehmen wir es heute hin, als „Bürgerinnen und Bürger“, als „Studentinnen und Studenten“, als „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ angesprochen zu werden. Die verschärfte Form der politisch korrekten Bescheuertheit hat vor allem Eingang in die Schriftsprache gefunden: das bei Feministinnen und Gender-Mainstreaming-Anhängern allseits beliebte Binnen-I. Das heißt ein großes „i“ in der Mitte des Wortes, das eine geschlechtsneutrale oder besser gesagt eine bisexuelle Umdeutung des Wortes anzeigen soll: also LehrerInnen mit großem „i“ statt „Lehrerinnen und Lehrer“.
Nur nebenbei bemerkt: Das Binnen-I findet sich fast ausschließlich als Anhang von positiven oder zumindest neutral besetzten Wörtern wie ProfessorInnen, KünstlerInnen etc. Haben Sie schon einmal von VerbrecherInnen, MörderInnen oder TerroristInnen gehört? Auch von den Wörtern Folterknechtin (oder besser Foltermagd), Faulpelzin oder Dickschädelin hat Gender-Mainstreaming bisher die Finger gelassen. Der Gipfel feministischer Sprachabsurditäten ist aber noch lange nicht erreicht. Politische Korrektheit macht nämlich auch vor Logik keinen Halt. Die ehemalige Berliner Frauensenatorin Anne Klein machte sich damit unsterblich, dass sie einmal die weiblichen Mitglieder des Berliner Senats mit „Liebe Mitgliederinnen“ ansprach.
Einigen Gender-Mainstreaming-Jüngern beziehungsweise -Jüngerinnen ist nämlich aufgefallen, dass das Pronomen „man“ (wohlgemerkt mit einem n) doch recht diskriminierend sei. Ihr Vorschlag lautet daher, es durch das kleingeschriebene Pronomen „mensch“ zu ersetzen.[7]
Sarrazin erklärt die Verdummung der Deutschen, Spiegel am 10. Juni 2010
Migration: Die Diskussion ist völlig obskur. Henryk M. Broder über die Thesen von Thilo Sarrazin und die öffentliche Debatte darüber, Märkische Allgemeine am 1. September 2010;
Necla Kelek: Integrations-Debatte: Ein Befreiungsschlag, Frankfurter Allgemeine Zeitung am 30. August 2010