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Die Familie und ihre Zerstörer

Was schief läuft und was anders werden muss – Eine überfällige Debatte

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3.1.1.2.4. Bedingungsloses Grundeinkommen

Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) ist ein sozial­politisches Finanz­transfer­modell, nach dem jeder Bürger unabhängig von seiner wirtschaftlichen Lage vom Staat eine gesetzlich festgelegte und für jeden gleiche finanzielle Zuwendung erhält, für die keine Gegen­leistung erbracht werden muss. Das BGE soll so angelegt werden, dass es bereits ohne weitere Einkommen oder bedingte Sozialhilfe existenz­sichernd wäre.

Es gibt viele unterschiedliche Vorstellungen, wie ein Grund­einkommen aussehen soll – sowohl was die Finanzierung angeht, als auch was die Ziele sein sollen: Wollen die einen in erster Linie die soziale Markt­wirt­schaft modernisieren, Bürokratie abbauen und das Steuer­system vereinfachen, geht es anderen Gruppen um die endgültige Überwindung des Prinzips Lohnarbeit.[1] Was in der Debatte um das BGE noch vollständig fehlt ist die Berücksichtigung der Auswirkung auf Familien.


Contra

Coming soon!

Positionen Gerd Habermann und Peter Mersch

Die Höhe des Grundeinkommens ist eine wichtige Frage. Ist es zu niedrig, verändert sich rein gar nichts oder macht im Gegenteil Dinge vielleicht sogar schlimmer für Menschen, die keine weitere Möglichkeit haben ihr Einkommen aufzustocken. Ist es zu hoch, steigt das Risiko von Unproduktivität aufgrund von Faulheit.

Der Wirtschafts­wissen­schaftler und ehemalige Staats­sekretär im Bundes­ministerium der Finanzen Heiner Flassbeck meint, mit dem BGE werde „eine sinnlose Umverteilungs­maschine in Gang gesetzt“.[2]

Nach Ansicht von Gerd Habermann von der Arbeits­gemein­schaft Selbständiger Unternehmer beruhe die Idee eines bedingungslosen Grund­ein­kommens auf einer Vorstellung von einem Staat, in dem alle auf Kosten aller anderen leben könnten. „Erstaunlich, welche exotischen Blüten aus dem Sumpfboden unseres Wohlfahrts­staates wuchern“, sagt Gerd Habermann über das im BGE enthaltene „Recht auf Faulheit“. Mit der Idee eines BGE würden die Vorschläge „sozialistischer Utopien“ übertroffen, die stets eine staatlich gewährte Versorgungs­garantie des Bürgers mit seiner Arbeitspflicht verknüpfen. Dass das BGE mit dem durchaus christlichen Argument der „Menschenwürde“ durchgesetzt werden soll, hält der Katholik Habermann für unverständlich. Sollte es unwürdig sein, zwecks Selbsterhaltung fürs tägliche Brot nun mal arbeiten zu müssen? Doch einen Staat, in dem alle per Sozialhilfe auf Kosten aller anderen leben können, hält Habermann für völlig ungerecht.[3]

Die Forderung nach einem bedingungs­losen Grund­ein­kommen hat erhebliche Neben­wirkungen, die bisher kaum diskutiert wurden. Da ein Grund­ein­kommen für alle verlangt wird, wirkt es als flächen­deckender Kombilohn, mit dem das gegenwärtige Tarif­system untergraben wird. Konkrete Tages­forderungen wie die nach einem ausreichenden gesetzlichen Mindestlohn werden in den Hintergrund gedrängt. Es ist nicht auszuschließen, dass in Branchen mit Niedriglöhnen die Existenz­sicherung dazu genutzt wird, die Löhne weiter zu drücken. Für andere unbeliebte Arbeit findet sich vielleicht niemand mehr, der sie erledigen will, weil die Notwendigkeit zur Annahme einer Arbeit wegfällt. Ein Schatten­arbeits­markt mit illegal beschäftigten Arbeitern aus dem Ausland könnte die Folge sein.

Obwohl das kinderarme Deutschland Nachwuchs dringend braucht, so sind doch auch hier Seiten­effekte zu beachten. Drogen­abhängige Frauen könnten sich über Schwanger­schaften zusätzliches (Grund)Einkommen verschaffen, um damit ihre Sucht zu finanzieren. Antriebs­schwache Haupt­schul­abbrecherinnen könnten versucht sein, sich über Babys ein Ersatz­ein­kommen zu verschaffen. Roma-Familien mit deutschem Pass könnten sich Heerscharen von Bettler­kindern staatlich finanzieren lassen. Die Motive der Menschen, warum sie Kinder bekommen, sind schwer zu steuern. Und wenn man die Existenz­sicherung wieder an Bedingungen knüpfen will, wäre es ja kein „Bedingungs­loses Grund­ein­kommen“ mehr.

Pro

„Ein Grundeinkommen macht genauso wenig faul, wie Erwerbsarbeit grundsätzlich fleißig macht.“ – Theo Wehner [4]

Das ist allerdings nicht alles. Es gibt andere Aspekte, die das bedingungs­lose Grund­ein­kommen trotzdem interessant machen.

Zunächst einmal ist Sozialhilfe sehr teuer abseits der reinen Transfer­leistung. Die Bürokratie, welche die Bedürftigkeit prüfen muss, ist sehr aufwendig. Der Sozial­betrug ist hoch, der Kontroll­aufwand immens. Der Journalist Henryk M. Broder hat in „Entweder Broder – Die Deutschland-Safari“ berichtet, dass nach der Einführung von Hartz4 allein in der Stadt Speyer im Sozialgericht von 6 auf 19 Kammern aufgestockt wurde. Die Kammern seien aber trotzdem überlastet, was Wartezeiten von bis zu zwei Jahren bedeute.[5] Es wird ein kostspieliger Aufwand betrieben und die aufgewendeten Mittel kommen nicht den Bedürftigen, sondern nur den Juristen und den Funktionären im Öffentlichen Dienst zu Gute. All diese Kosten, die von niemanden je beziffert wurden, würden mit der Einführung des Bedingungs­losen Ein­kommens natürlich wegfallen. Damit ist zumindest ein Argument der Gegner hinsichtlich der Kosten relativiert.

Ein weiterer interessanter Gedanken­ansatz ist, das Bedingungs­lose Grund­ein­kommen nicht als Sicherung des Existenz­minimums zu verstehen, sondern als Versorgung der Bevölkerung mit Geld. Geld gilt als universelles Tauschmittel und wo kein geeignetes Tauschmittel vorhanden ist, besteht ein ernstes Hindernis für wirtschaftliche Entwicklung. In Indien experimentiert man aus diesem Grund mit so genannten Mikro­krediten. Gerade in Zeiten der Euro-Krise und der de facto Pleite Griechen­lands erleben wir, wie Milliarden und Aber­milliarden von Euros in den Finanz­kreis­lauf gepumpt werden und diese nur bei den Banken und in immer neuen Spekulations­blasen verschwinden. Da liegt es doch mehr als nahe, dieses Geld nicht bei den Banken einzuspeisen, sondern stattdessen an der Basis der Gesellschaft. Die Milliarden, die für die vermeintliche Banken­rettung ausgegeben werden, sind real­wirtschaft­lich ja auch nicht gedeckt, sodass das Gegen­argument mit der fehlenden Gegen­finanzierung in sich zusammenfällt.

Die Tiroler Gemeinde Wörgl startet in der Welt­wirt­schafts­krise 1932 mit einer lokalen Tausch­währung ein Geldexperiment, das weltweit Aufsehen erregte. Das Problem bestand damals wie heute darin, dass das Geld in den Zinsen­kanälen versickert und sich in den Händen weniger Menschen sammelt, die das Geld nicht mehr dem Warenmarkt zuführen, sondern als Spekulations­mittel zurückhalten. Die USA hatten damals in umfangreichem Stil Gold in Europa aufgekauft, als Reaktion mussten die öster­reichischen Banken die Menge ihres goldgedeckten Schillings reduzieren, um die Währung zu stabilisieren. In der Folge verfielen die Preise für Waren und Arbeit, der Konsum ging noch weiter zurück. Aus Finanznot musste der Wörgler Bürgermeister öffentliche Bauprojekte stoppen mit dem Ergebnis, dass es auf der einen Seite arbeitslose und verarmte Arbeitswillige und auf der anderen halbfertige Bauten und gefüllte Läden gab. Die Aufgabe war nun, wie er die Wirtschaft wieder in Schwung bringen könnte, ohne seine Bürger zu belasten oder sich Geld von Banken leihen zu müssen. Als Lösung erfand er Geld, das die Gemeinde selbst herstellt, mit ihm ihre Bauprojekte bezahlt, und das die Arbeiter in den Wörgler Läden gegen Waren tauschen können. Dieses Notgeld wurde mit einer Besonderheit verbunden: Die Scheine sollten stetig an Wert verlieren, monatlich ein Prozent. Damit sollte sicher­gestellt werden, dass niemand dieses Schwundgeld lange behalten würde, sondern es innerhalb eines Monates ausgeben. Auf diesem Weg sollte das Geld zum Fließen und die gesamte lokale Wirtschaft wieder in Schwung gebracht werden. Tatsächlich füllte sich die leere Rathauskasse rapide, denn um das Schwundgeld wieder loszuwerden, zahlten die Wörgler Steuern im Voraus. Während im übrigen Österreich die Arbeits­losigkeit stieg, nahm sie in Wörgl deutlich ab. Die öster­reichische Presse nannte den Erfolg „Das Wunder von Wörgl“.[6]

Die Idee ist nun, den Gedanken vom bedingungs­losen Grund­ein­kommen mit dem Ansatz des Wörgler Schwundgeldes zu verbinden. Das bedingungs­lose Grund­ein­kommen ließe sich also durch Schwund, sprich Inflation, finanzieren. Der Einwand von Peter Mersch bezüglich der Konsum­steuer und der damit verbundenen möglichen Steuer­hinter­ziehung wären damit vom Tisch. Die Inflation hätte dieselben Wirkung wie eine Konsumsteuer und zudem den Vorteil, nicht vermieden werden zu können.

Der grundlegende Gedanke bei dieser Sichtweise wäre nicht die soziale Grund­sicherung (wie Hartz4), sondern die Grundversorgung einer Gesellschaft mit Geld.

Geld hätte dabei – zumindest ein Stück weit – die Bedeutung der Allmende, einem gemeinschaftlichen Gut, von dem niemand ausgeschlossen werden darf. So wie Straßen, öffentliche Verkehrsmittel, Schulen, Parteien, Energie­versorgungs­struktur und Polizei einen Teil einer gesell­schaft­lichen Infrastruktur darstellen, die vorhanden ist auch wenn sie konkret nicht genutzt werden, so kann auch der allgemeine und bedingungs­lose Zugang zu Geld als Teil einer gesell­schaft­lich notwenig erachteten Infrastruktur aufgefasst werden. Ohne Zugang zu Geld ist heute praktisch eine Teilhabe am wirt­schaft­lichen Leben nicht möglich. Erst durch das Verfügen über Geld wird jeder zu einem Nachfrager von Dienst­leistungen, potentiell aber auch zum Anbieter, und sei es nur die Betreuung minderjähriger Kinder einer berufs­tätigen Mutter.

Das bedingungs­lose Grund­ein­kommen wäre ein neuer Weg, um Liquidität – so der Fachbegriff – in einer Gesellschaft herzustellen. Der herkömmliche Weg geht von oben nach unten so: Der Staat verschuldet sich bei den Banken und hofft, dass die Banken das Geld an Firmen verleihen, wobei wieder gehofft wird, dass damit Arbeits­plätze geschaffen werden, womit dann über Lohnzahlungen das Geld bei denen ankommt, die man Konsumenten nennt. Wenn der Staat sich schon verschuldet – und wir wissen alle, dass das Geld nie zurückgezahlt werden wird – dann kann er zumindest teilweise das Geld den Konsumenten direkt zukommen lassen. Die Erfahrungen zeigen ja, dass der Weg über die Banken letztlich nur zu immer größeren Spekulations­blasen führt und das Geld nicht bei den Bürgern ankommt. Das Bedingungs­lose Grund­ein­kommen lässt sich also auch als ein alternativer und sinnvoller Weg zur Geldversorgung einer Gesellschaft auffassen.

Wird fortgesetzt!



[1] Money for nothing. Warum eigentlich nicht? Die Idee vom bedingungslosen Grundeinkommen, Fluter – Magazin der Bundeszentrale für Politische Bildung am 20. Dezember 2011
[2] Nur ein großes Kuddelmuddel, Die Tageszeitung am 15. Dezember 2006
[3] Für lau? Chance und Risiko bezahlten Nichtstuns, Fluter – Magazin der Bundeszentrale für Politische Bildung am 11. Oktober 2010
[4] Sozialstaat: „Das bedingungslose Grundeinkommen macht nicht faul“, Die Zeit am 30. Dezember 2011
[5] ARD: „Entweder Broder – Die Deutschland-Safari“ Teil 5: Guck mal, wie sich Armut lohnt, 17. Oktober 2011, 23:50 Uhr (Video-Dokument Teil 1, Teil 2)
[6] Das Wunder von Wörgl, Freitag am 9. Juli 2009
  • „Das bedingungslose Grundeinkommen – Götz Werner vs. Gerd Habermann“ (Einer der prominentesten Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens ist der Unternehmer Götz Werner. Einer der schärfsten Kritiker ist Gerd Habermann. Beide sind bei uns im Interview.), Christiane Wittenbecher am 01.02.2010 um 18:10 Uhr HTML-Dokument MP3-Dokument
    Nach Ansicht von Götz Werner würde das bedingungslose Grundeinkommen die Gesellschaft positiv verändern. Die Idee: Jeder würde einen bestimmten Betrag, der zum Leben notwendig ist, erhalten und könnte selbst entscheiden, was er machen will. Der Unternehmer Götz Werner ist einer der prominentesten Fürsprecher des bedingungslosen Grundeinkommens.
    Gerd Habermann kritisiert die Ideen von Werner. Aus seiner Sicht würde das bedingungslose Grundeinkommen zu einer immensen Abhängigkeit vom Staat führen. Habermann ist Wirtschaftsphilosoph und forscht momentan an der Wirtschafts- und Sozial­wissen­schaftlichen Fakultät der Universität Potsdam.
  • Peter Mersch: „Irrweg Grundeinkommen“ HTML-Dokument
  • Götz W. Werner: „Einkommen für alle“, Bastei-Lübbe 2008, ISBN 3-404-60607-8
  • Henning Lindhoff: Umverteilung: Das soziale Mammut. Ein Plädoyer für die Sozialdeindustrialisierung., ef-magazin am 4. Juni 2011