Der Kern der Denkverbote wird im katholischen Lehrsatz „Extra ecclesiam nulla salus, außerhalb der Kirche gibt es kein Heil.“ beschrieben. Kennzeichnend für jede Art von Fundamentalismus ist das exstatische Festhalten an fundamentalen Lehrsätzen (Dogmen), die willkürliche Setzung von Grenzen. Es gibt also keinen Fundamentalismus ohne Denkverbote, ohne radikales Misstrauen und Skepsis gegenüber anderen Weltbildern und Lebensentwürfen und deren Anhängern. Dem Autoritarismus und der Stagnation im Denken entspricht der Überfluss der Predigt, der Lobpreis des Glaubens im Unterschied zur „Hure Vernunft“ (Luther); das Pathos, die enthusiastische, polemische oder provokative Rhetorik ersetzt die nüchterne Analyse.[1]
Die Ursprünge des Fundamentalismus und seiner Denkverbote
Der von christlichen Fundamentalisten oft zu hörende Ruf „Zurück zur Praxis Jesu“ und die nicht minder vernehmbare Forderung eines „Rückgriffs auf ursprüngliches Christentum“ beinhalten fundamentalistische Leerformeln, die von vornherein die Illusion vorgaukeln, die Praxis Jesu und das ursprüngliche Christentum seien etwas entrückt und unantastbar Ideales gewesen.[1] Muslimische Fundamentalisten betreiben mit der Formel „Zurück zur Praxis Mohammeds“ dasselbe Geschäft. Auch sie gaukeln den Muslimen die Illusion eines ursprünglichen Islam mit der Praxis Mohammeds (Sunna) als anzustrebendes Ideal vor.
In seinem Selbstverständnis sieht der Fundamentalist eben das Eigentliche, Eigentümliche der Person; der Zweifler sieht zuviel und deshalb – wenigstens in der Meinung des Fundamentalisten – nicht das Wesentliche.[1]
Der Grundgedanke, dass es außerhalb der katholischen Kirche kein Heil gibt, wurde in der Allgemeinen Kirchenversammlung zu Florenz (1438–1445) als Dogma festgeschrieben: „[Die heilige römische Kirche, durch das Wort unseres Herrn und Erlösers gegründet, glaubt fest, bekennt und verkündet, dass] niemand außerhalb der katholischen Kirche – weder Heide noch Jude noch Ungläubiger oder ein von der Einheit Getrennter – des ewigen Lebens teilhaftig wird, vielmehr dem ewigen Feuer verfällt, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist, wenn er sich nicht vor dem Tod ihr (der Kirche) anschließt. So viel bedeutet die Einheit des Leibes der Kirche, dass die kirchlichen Sakramente nur denen zum Heil gereichen, die in ihr bleiben, und dass nur ihnen Fasten, Almosen, andere fromme Werke und der Kriegsdienst des Christenlebens den ewigen Lohn erwerben. Mag einer noch so viele Almosen geben, ja selbst sein Blut für den Namen Christi vergießen, so kann er doch nicht gerettet werden, wenn er nicht im Schoß und in der Einheit der katholischen Kirche bleibt.“[2]Kein einziges Denkverbot, kein einziges Dogma, kein einziges Moralgebot der römisch-katholischen Kirche wurde von diesem Konzil aufgehoben.[1] Dieser Befund überrascht, weil man sich in einem Zeitalter der Toleranz und des Dialogs angekommen wähnt. Jedoch lauten in der „Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen“ die Kernsätze: „Die Katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selbst für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet. Unablässig aber verkündigt sie und muss sie verkündigen Christus, der ist der Weg, die Wahrheit und das Leben (Jh. 14:6), in dem die Menschen die Fülle des religiösen Lebens finden, in dem Gott alles mit sich versöhnt hat.“ Das klingt so schön und erhaben und enthält doch die Grundlage für jede Form der Intoleranz. Denn die Fülle des religiösen Lebens, der eigentliche, keine Um- und Irrwege implizierende Weg zur Wahrheit und zum Leben wird nur von der katholischen Kirche verkündigt, angeboten und gewährt. Alle anderen Religionen besitzen lediglich Fragmente von dem, was wahr und heilig ist, Strahlen jener Wahrheit, die zwar alle Menschen erleuchtet, aber nur in der katholischen Kirche voll beheimatet ist.[1]
Die Tendenz aller katholischer Theologen von links bis rechts, von kritisch bis völlig angepasst, von liberal bis autoritär, von progressiv bis konservativ ist im Grunde dieselbe. Auf die in den Schriften des Neuen Testaments und sogar des Alten Testaments aufbewahrte Offenbarung Gottes lässt man nichts kommen, sie ist vollkommen und fehlerlos.[1]
Jedenfalls basiert das ganze Syndrom der progressiv-konservativen Theologen auf einer heimlichen fundamentalistischen Übereinkunft, die keineswegs abgesprochen sein muss, aber fast einer Verschwörung gleichkommt: „Gegen die Anfänge (des Christentums) nichts Negatives!“ Insofern stützt auch noch der kritischste, progressivste Theologe das fundamentalistische Gesamtsystem Kirche, weil auch er an einer fundamentalistischen Grundvoraussetzung festhält, der vom vollkommenen Anfang; weil auch er, ja er besonders, die These verkündet, Jesus und das Neue Testament seien über alle moralischen, ethischen, aber auch inhaltlich-glaubensmäßige und rationale Kritik erhaben. Aber nicht nur die theologischen Insider betreiben das Geschäft der Kirche. Auch das Gros der Medienvertreter ist gerne behilflich. Im Fernsehen, im Rundfunk, in den meisten Tages- und Wochenzeitungen hält man sich an das Schema: „Fehler und Vergehen der Kirche hier und da ja, mal mehr, mal weniger – hässliche Flecken am Ursprung des Christentums keine.“ Und damit dieses „Dogma“ nicht ins Wanken gerät, lässt man diesem fundamentalistischen Schema verpflichtete progressive und konservative Insider bereitwillig in den Medien auftreten, hält aber Theologen, die aus diesem inhumanen und verlogenen, die Wahrheit zurückhaltenden Verband Kirche ausgetreten ist, strikt von ihnen fern. Die Heuchelei um die Anfänge des Christentums und der Kirche ist in unserer Republik fast grenzenlos geschützt und patentiert![1]
Das Inquisitionsbüro der katholischen Kirche heißt heute sehr harmlos „Kongregation für die Glaubenslehre“, aber seine Funktion ist dieselbe wie einst, und auch die Intoleranz ist geblieben, nur dass man aus von der Kirche nicht mehr beeinflussbaren Gründen des säkularistischen Prozesses der Neuzeit die Menschen nicht mehr auf dem Scheiterhaufen verbrennen kann. Andere Verfolgungsmechanismen (Rufmord, Verdächtigungen, finanzieller Ruin, Kampagnen gegen unliebsame Autoren, Bücherboykott, Beleidigungsprozesse mit hohen Schmerzensgeldforderungen, „Medienabstinenz“, Rede- und Schreibverbote usw.) funktionieren jedoch durchaus noch.[1]
Man verurteilte Galilei, indizierte bedeutende Denker (Descartes, Spinoza, Kant, Sartre), verurteilte die Menschenrechte und die Gewissensfreiheit, verbannte modernistische Theologen in unbedeutende Regionen, wo sie keinen Schaden für die Kirche mehr anrichten konnten. Ignatius bekannte: „Um zu der Wahrheit in allen Dingen zu gelangen, sollten wir immer bereit sein zu glauben, das, was uns weiß scheint, sei schwarz, wenn die hierarchische Kirche es so definiert.“ Der General des Jesuitenordens steht zu der Aussage: „Für uns ist der Papst die Wahrheit.“ Und Papst Innozenz III. forderte: „Man muss dem Papst gehorchen, selbst wenn er Böses befiehlt.“[1]
Die von Hubertus Mynarek angeführten fundamentalistischen Stellen im Neuen Testament und Koran zeigen auch die Haltlosigkeit der von christlichen Theologen und Religionswissenschaftlern gern praktizierten Unterscheidung zwischen dem Christentum als typischer Gnadenreligion und dem Islam als typischer Gesetzreligion.[1]
Fundamentalismus und Denkverbote nach der Säkularisation
Hubertus Mynarek arbeitet Fundamentalismus und Denkverbote zwar am Beispiel der Katholischen Kirche heraus, weist aber schon darauf hin, dass dieses Phänomen nicht auf die christliche Religion beschränkt ist. „Moralische Gebote und Verbote, proklamiert als Wille Gottes, stehen bei den prophetischen Religionen hoch im Kurs.“ [1] Die Sache ist allerdings nicht mit der Säkularisation erledigt.
Ein oft gehörter Vorwurf geht dahin, das Christentum hätte die (europäische) Aufklärung sich gebracht, während der Islam diese Entwicklung noch vor sich habe. Der Theologe und Experte in kirchlicher Dogmatik Mynarek entlarvt die „Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen“ allerdings als eine Verlautbarung schöner Worte ohne aber in der Sache ein Zugeständnis zu machen. Leerformeln in schöne Worte zu kleiden ist eine Kunst, in der die katholische Kirche knapp 1700 Jahre Übung hat.
Der radikalste Ausdruck des Zeitalters der Aufklärung stammt von Nietzsche:
„Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet. Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder?“ [3]
Es ist die Frage, inwieweit Nietzsche den Tod Gottes beschworen oder herbeigewünscht hat. Nietzsche verstand sich hier wohlmöglich mehr als Beobachter, der seine Zeit analysierte, vor allem die seiner Auffassung nach inzwischen marode gewordene (christliche) Zivilisation. Der stilistisch dichte Text des 125. Aphorismus lässt den Tod Gottes als bedrohliches Ereignis erscheinen. Dem Sprecher darin graut vor der Schreckensvision, dass die zivilisierte Welt ihr bisheriges geistiges Fundament weitgehend zerstört hat:
„Wohin ist Gott? rief er, ich will es euch sagen! Wir haben ihn getödtet, – ihr und ich! Wir Alle sind seine Mörder! Aber wie haben wir diess gemacht? Wie vermochten wir das Meer auszutrinken? Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen? Was thaten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Giebt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht? […] Gott ist todt! Gott bleibt todt! Und wir haben ihn getödtet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder?“ [3]
Dieser unfassbare Vorgang würde gerade wegen der großen Dimension lange brauchen, um in seiner Tragweite erkannt zu werden: „Ich komme zu früh, sagte er dann, ich bin noch nicht an der Zeit. Diess ungeheure Ereigniss ist noch unterwegs und wandert, – es ist noch nicht bis zu den Ohren der Menschen gedrungen.“ Und es wird gefragt: „Ist nicht die Grösse dieser That [Gott getötet zu haben] zu gross für uns? Müssen wir nicht selber zu Göttern werden, um nur ihrer würdig zu erscheinen?“ Unter anderem aus diesem Gedanken heraus erscheint später die Idee des „Übermenschen“, wie sie vor allem im Zarathustra dargestellt wird: „Todt sind alle Götter: nun wollen wir, dass der Übermensch lebe.“ [4]
Tatsächlich wurde nicht Religion abgeschafft. Vielmehr wurde Gott der Thron streitig gemacht, um den Mensch an seiner Stelle auf den Thron zu setzen. Mit der Aufklärung wurde also mitnichten die Religion überwunden, sondern vielmehr der Übergang von der transzendenten Religion zur säkularen Religion beschritten.
Die Zeit der so genannten Aufklärung brachte vielerlei Utopisten hervor. Die katholischen Moralisten und Inquisitoren wandelten sich zu politisch korrekten Gutmenschen. Aus den Scheiterhaufen der Inquisition wurden die Guillotine der Jakobiner, die KZs der Nazis und der Archipel Gulag der Bolschewiki. Heutige Gutmenschen haben ihre Methoden verfeinert und vernichten ihre Gegner mit medialen Verleumdungskampagnen. Während der Französischen Revolution erklärte Maximilien de Robespierre, „bis zum Sieg über die Feinde müsse die Terreur fortgesetzt werden.“ Für Adolf Hitler war Terror ebenfalls ein legitimes Mittel, um ein neues, besseres Deutschland zu erschaffen. Ähnliches tat Stalin in der Sowjetunion, Mao in China und Pol Pot in Kambodscha. Robespierre bis Pol Pot waren es alles Utopisten und sie verstanden sich selbst als Gutmenschen, die für eine bessere Gesellschaft kämpften. Alle töteten sie für dieses Ziel Andersdenkende und zerschlugen die bestehenden Gesellschaftsstrukturen. Alle diese großen Sprünge nach vorn mit ihrer Ausrottungspolitik gegenüber „Klassenfeinden“ und „Volksschädlingen“ waren ja auch irgendwie Teil der großen Emanzipation/Aufklärung des Menschengeschlechts.
„Die politische Mitte und der politische Konservatismus brechen derzeit überall zusammen. Trotz des Ausgangs des Kalten Krieges verzeichnen wir seltsamerweise einen Linksrutsch statt einer Verschiebung nach rechts. Die Ideologie der Bolschewisten ist gescheitert, aber schon nimmt eine neue Art von Utopisten deren Platz ein, die politisch Korrekten. Sie übernehmen die Extremposition im politischen Spektrum, die bisher von den Bolschewisten besetzt war. Die politisch Korrekten gehen genau gleich vor wie früher die Kommunisten. Sie steuern die Linke – Sozialisten und Sozialdemokraten – und setzen so ihr Programm durch. Sie sind in der Tat eine große Bedrohung für unsere Demokratien und unsere Grundrechte. Unglücklicherweise besitzt unsere heutige Welt keine Kraft mehr. Als die Sowjetunion noch existierte, war die Bedrohung sichtbar. Und diese Bedrohung mobilisierte Widerstandskräfte in den westlichen Gesellschaften. Heute gibt es keinen Widerstand. Es ist fast wie bei Aids, wir haben kein Abwehrsystem mehr. Die Menschen sind apathisch. Sie haben alle Hoffnung aufgegeben und schauen solchen Eingriffen in ihre Grundrechte verzweifelt zu. Aber sie nehmen die ‚political correctness‘ nicht als eine schwere Bedrohung wahr. Es ist eine vordringliche Aufgabe, die ‚political correctness‘ als eine schwere Bedrohung unserer Freiheit zu entlarven und Kräfte dagegen zu mobilisieren.“ [5]
Der russische Publizist und ehemalige sowjetische Dissident Wladimir Bukowski hält einen kommenden Gulag in der EU für möglich:
„Als Anfang haben wir bereits den intellektuellen Gulag. Schon jetzt werden Menschen geächtet, verlieren ihren Arbeitsplatz und haben keine Möglichkeit mehr, ihre Meinung öffentlich zu äußern, nur weil sie in bestimmten Fragen von der offiziellen Linie abweichen, zum Beispiel bezüglich Themen wie Rasse, Frauen, Sexualität oder was auch immer, sogar bezüglich dem Rauchen. Aber das ist noch nicht das Ende.“ [6]
Das vorläufige Endprodukt von 200 Jahren Emanzipation ist der Gutmensch. Er ist Nietzsches blinzelnder letzter Mensch. Anders als ein Gläubiger, der sich zu seinem Glauben bewusst bekennt, ist er als Ungläubiger Sklave seines Glaubens. Seiner Ersatzreligionen sind viele: Feminismus, Pazifismus, Klimaschutz, Konsumismus – und über allem thronend die Political Correctness.[7]
Tabus und Denkverbote in der heutigen Zeit
Thilo Sarrazin schreibt zu den Tabus und Denkverboten in Deutschland:
Zu den Folgen des Geburtenrückgangs durfte man Jahrzehnte überhaupt nichts sagen, wenn man nicht unter völkischen Ideologieverdacht geraten wollte. Seit die Generation der Achtundsechziger Angst um ihre Rente bekommt, ändert sich das. Aber jetzt ist es 40 Jahre zu spät.
Es war tabu, darüber zu reden,
dass man zwar 90 % der Schüler einer Jahrgangsstufe zur Hochschulreife führen kann, aber dennoch nicht einmal 10 % von diesen den Anforderungen eines Mathematikstudiums gewachsen sind
dass wir als Volk an durchschnittlicher Intelligenz verlieren, wenn die intelligenteren Frauen weniger oder gar keine Kinder zur Welt bringen
dass der Einzelne selbst für sein Verhalten verantwortlich ist und nicht die Gesellschaft.
Die Tendenz des politisch korrekten Diskurses geht dahin, die Menschen von der Verantwortung für ihr Verhalten weitgehend zu entlasten, indem man auf die Umstände verweist, durch die sie zu Benachteiligten oder gar zu Versagern werden.[8]
Thilo Sarrazin ist in seiner Kritik zwar „politisch-inkorrekt“, verliert sich aber in allgemeiner Kritik und benennt Ross und Reiter nicht.
Den Opfer- und Benachteiligungsdiskurs verdanken wir dem Feminismus, vorangetrieben wird es von einer ausufernden HelferInnenindustrie, welche mit den Geschäftsmodellen Opfer und Benachteiligte gutes Geld verdient.
„Die Tatsache, dass es unproduktive Unterschicht, Sozialschmarotzer, ja dass es Plebs gibt, findet der Gutmensch so skandalös, dass er jeden zum Schlechtmenschen erklärt, der darauf hinweist. Wenn es sich obendrein noch um Migranten handelt, kommt der hierzulande so beliebte Rassismus- und Ausländerfeindlichkeitsvorwurf mit derselben Sicherheit zur Anwendung, wie dessen Handhaber fernab von sozialen Brennpunkten siedeln.“ [9]
Das herrschende Meinungsklima, das über moralische Erpressung funktioniert, verhindert, dass viele nicht wagen, sich gegen ihr Ausgenommenwerden zu wehren. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Idee von der sozialen Gerechtigkeit.
„Soziale Gerechtigkeit heißt: Dem einen wird, in der Regel gegen dessen Willen, etwas weggenommen, damit anderen gegeben werden kann, egal, ob sie es verdient haben. Die nahezu spirituelle Aufladung des Begriffes dient bloß dem Zweck, diese profane Wirklichkeit zu vernebeln. […] Warum sollte es gerecht sein, jemanden vor dem Sturz ins Elend zu bewahren, der selber keine Anstrengungen dagegen unternimmt? […] Ein Kernbegriff des bundesrepublikanischen Selbstverständnisses bedeutet also entweder nichts Konkretes oder sogar sein Gegenteil. Trotzdem beendet er als ultimatives Argument jede Debatte. Gegen soziale Gerechtigkeit ist kein Einspruch zulässig. Die Tabusperre ist so mächtig, dass jede Erklärung überflüssig wird. Wer soziale Gerechtigkeit auszuüben vorgibt, befindet sich im Recht.“ [9]
Unter dem Vorwand „soziale Gerechtigkeit“ oder „Geschlechtergerechtigkeit“ herstellen zu wollen, sichert sich die HelferInnenindustrie eine niemals versiegende Betätigungsquelle. Alexis de Tocqueville schreibt in seinem Klassiker „Über die Demokratie in Amerika“:
„Ist die Ungleichheit das allgemeine Gesetz einer Gesellschaft, so fallen die stärksten Ungleichheiten nicht auf; ist alles ziemlich eingeebnet, so wirken die geringsten Unterschiede kränkend. Deshalb wird der Wunsch nach Gleichheit desto unersättlicher, je größer die Gleichheit ist.“ [9]
Und so füttert ein so genannter Sozialstaat eine ständig wachsende Helferindustrie. Das muss mit ständig steigenden Steuern und Abgaben finanziert werden. Darauf hinzuweisen gilt unter Gutmenschen als Sakrileg, die dann eilfertig vor „Sozialabbau“ und „sozialer Kälte“ warnen. Man muss sich allerdings vergegenwärtigen, dass die Ressourcen, die der Staat bereits abgeschöpft hat, den Familien nicht mehr zur Verfügung stehen. Dies wurde im Abschnitt über die finanzielle Austrocknung der Familien beschrieben. Jürgen Borchert sagt dazu „Der Staat treibt den Familien über Sozialbeiträge und Steuern die Sau vom Hof und gibt ihnen in Gönnerpose bei Wohlverhalten ein Kotelett zurück.“ [10] Das ist dann der Punkt, wo die so genannte Sozialpolitik unsozial wird.
Eva Hermann wiederum durfte nicht auf Fehlentwicklungen in der Familienpolitik aufmerksam machen. Sie wurde zur „Eva Braun“ erklärt und es wurde wahrheitswidrig behauptet, sie würde die Familienpolitik des Dritten Reiches loben. Mit dieser Nazikeule wurde der Diskurs unterbunden. Gutmenschen mögen den Diskurs nicht, weil ja schon zweifelsfrei wissen, was gut und richtig ist und so verteilen sie Ketzerhüte an Andersdenkende und stellen Denkverbote auf. Diese Denkverbote gilt es zu durchbrechen.
[1]Hubertus Mynarek: „Denkverbot. Fundamentalismus in Christentum und Islam.“, Knesebeck 1992, ISBN 3-926901-45-4a) S. 23/24 b) S. 60 c) S. 62 d) S. 65 e) S. 66 f) S. 67 e) S. 69 f) S. 84-86 g) S. 94 h) S. 80
[2] Siehe Glaubenssatz 350 auf den Seiten 212 und 213 in: Josef Neuner S.J. und Heinrich Roos S.J.: Der Glaube der Kirche in den Urkunden der Lehrverkündigung. Vierte verbesserte Auflage, herausgegeben von Karl Rahner S.J. – Regensburg: Verlag Friedrich Pustet, 1954. Imprimatur 27. Juni 1949.
4.6.3. Die Denkverbote
Der Kern der Denkverbote wird im katholischen Lehrsatz „Extra ecclesiam nulla salus, außerhalb der Kirche gibt es kein Heil.“ beschrieben. Kennzeichnend für jede Art von Fundamentalismus ist das exstatische Festhalten an fundamentalen Lehrsätzen (Dogmen), die willkürliche Setzung von Grenzen. Es gibt also keinen Fundamentalismus ohne Denkverbote, ohne radikales Misstrauen und Skepsis gegenüber anderen Weltbildern und Lebensentwürfen und deren Anhängern. Dem Autoritarismus und der Stagnation im Denken entspricht der Überfluss der Predigt, der Lobpreis des Glaubens im Unterschied zur „Hure Vernunft“ (Luther); das Pathos, die enthusiastische, polemische oder provokative Rhetorik ersetzt die nüchterne Analyse.[1]
Siehe auch: Die Gesellschaftslügen
Die Ursprünge des Fundamentalismus und seiner Denkverbote
Der von christlichen Fundamentalisten oft zu hörende Ruf „Zurück zur Praxis Jesu“ und die nicht minder vernehmbare Forderung eines „Rückgriffs auf ursprüngliches Christentum“ beinhalten fundamentalistische Leerformeln, die von vornherein die Illusion vorgaukeln, die Praxis Jesu und das ursprüngliche Christentum seien etwas entrückt und unantastbar Ideales gewesen.[1] Muslimische Fundamentalisten betreiben mit der Formel „Zurück zur Praxis Mohammeds“ dasselbe Geschäft. Auch sie gaukeln den Muslimen die Illusion eines ursprünglichen Islam mit der Praxis Mohammeds (Sunna) als anzustrebendes Ideal vor.
In seinem Selbstverständnis sieht der Fundamentalist eben das Eigentliche, Eigentümliche der Person; der Zweifler sieht zuviel und deshalb – wenigstens in der Meinung des Fundamentalisten – nicht das Wesentliche.[1]
Der Grundgedanke, dass es außerhalb der katholischen Kirche kein Heil gibt, wurde in der Allgemeinen Kirchenversammlung zu Florenz (1438–1445) als Dogma festgeschrieben: „[Die heilige römische Kirche, durch das Wort unseres Herrn und Erlösers gegründet, glaubt fest, bekennt und verkündet, dass] niemand außerhalb der katholischen Kirche – weder Heide noch Jude noch Ungläubiger oder ein von der Einheit Getrennter – des ewigen Lebens teilhaftig wird, vielmehr dem ewigen Feuer verfällt, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist, wenn er sich nicht vor dem Tod ihr (der Kirche) anschließt. So viel bedeutet die Einheit des Leibes der Kirche, dass die kirchlichen Sakramente nur denen zum Heil gereichen, die in ihr bleiben, und dass nur ihnen Fasten, Almosen, andere fromme Werke und der Kriegsdienst des Christenlebens den ewigen Lohn erwerben. Mag einer noch so viele Almosen geben, ja selbst sein Blut für den Namen Christi vergießen, so kann er doch nicht gerettet werden, wenn er nicht im Schoß und in der Einheit der katholischen Kirche bleibt.“ [2] Kein einziges Denkverbot, kein einziges Dogma, kein einziges Moralgebot der römisch-katholischen Kirche wurde von diesem Konzil aufgehoben. [1] Dieser Befund überrascht, weil man sich in einem Zeitalter der Toleranz und des Dialogs angekommen wähnt. Jedoch lauten in der „Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen“ die Kernsätze: „Die Katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selbst für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet. Unablässig aber verkündigt sie und muss sie verkündigen Christus, der ist der Weg, die Wahrheit und das Leben (Jh. 14:6), in dem die Menschen die Fülle des religiösen Lebens finden, in dem Gott alles mit sich versöhnt hat.“ Das klingt so schön und erhaben und enthält doch die Grundlage für jede Form der Intoleranz. Denn die Fülle des religiösen Lebens, der eigentliche, keine Um- und Irrwege implizierende Weg zur Wahrheit und zum Leben wird nur von der katholischen Kirche verkündigt, angeboten und gewährt. Alle anderen Religionen besitzen lediglich Fragmente von dem, was wahr und heilig ist, Strahlen jener Wahrheit, die zwar alle Menschen erleuchtet, aber nur in der katholischen Kirche voll beheimatet ist.[1]
Die Tendenz aller katholischer Theologen von links bis rechts, von kritisch bis völlig angepasst, von liberal bis autoritär, von progressiv bis konservativ ist im Grunde dieselbe. Auf die in den Schriften des Neuen Testaments und sogar des Alten Testaments aufbewahrte Offenbarung Gottes lässt man nichts kommen, sie ist vollkommen und fehlerlos.[1]
Jedenfalls basiert das ganze Syndrom der progressiv-konservativen Theologen auf einer heimlichen fundamentalistischen Übereinkunft, die keineswegs abgesprochen sein muss, aber fast einer Verschwörung gleichkommt: „Gegen die Anfänge (des Christentums) nichts Negatives!“ Insofern stützt auch noch der kritischste, progressivste Theologe das fundamentalistische Gesamtsystem Kirche, weil auch er an einer fundamentalistischen Grundvoraussetzung festhält, der vom vollkommenen Anfang; weil auch er, ja er besonders, die These verkündet, Jesus und das Neue Testament seien über alle moralischen, ethischen, aber auch inhaltlich-glaubensmäßige und rationale Kritik erhaben. Aber nicht nur die theologischen Insider betreiben das Geschäft der Kirche. Auch das Gros der Medienvertreter ist gerne behilflich. Im Fernsehen, im Rundfunk, in den meisten Tages- und Wochenzeitungen hält man sich an das Schema: „Fehler und Vergehen der Kirche hier und da ja, mal mehr, mal weniger – hässliche Flecken am Ursprung des Christentums keine.“ Und damit dieses „Dogma“ nicht ins Wanken gerät, lässt man diesem fundamentalistischen Schema verpflichtete progressive und konservative Insider bereitwillig in den Medien auftreten, hält aber Theologen, die aus diesem inhumanen und verlogenen, die Wahrheit zurückhaltenden Verband Kirche ausgetreten ist, strikt von ihnen fern. Die Heuchelei um die Anfänge des Christentums und der Kirche ist in unserer Republik fast grenzenlos geschützt und patentiert![1]
Das Inquisitionsbüro der katholischen Kirche heißt heute sehr harmlos „Kongregation für die Glaubenslehre“, aber seine Funktion ist dieselbe wie einst, und auch die Intoleranz ist geblieben, nur dass man aus von der Kirche nicht mehr beeinflussbaren Gründen des säkularistischen Prozesses der Neuzeit die Menschen nicht mehr auf dem Scheiterhaufen verbrennen kann. Andere Verfolgungsmechanismen (Rufmord, Verdächtigungen, finanzieller Ruin, Kampagnen gegen unliebsame Autoren, Bücherboykott, Beleidigungsprozesse mit hohen Schmerzensgeldforderungen, „Medienabstinenz“, Rede- und Schreibverbote usw.) funktionieren jedoch durchaus noch.[1]
Man verurteilte Galilei, indizierte bedeutende Denker (Descartes, Spinoza, Kant, Sartre), verurteilte die Menschenrechte und die Gewissensfreiheit, verbannte modernistische Theologen in unbedeutende Regionen, wo sie keinen Schaden für die Kirche mehr anrichten konnten. Ignatius bekannte: „Um zu der Wahrheit in allen Dingen zu gelangen, sollten wir immer bereit sein zu glauben, das, was uns weiß scheint, sei schwarz, wenn die hierarchische Kirche es so definiert.“ Der General des Jesuitenordens steht zu der Aussage: „Für uns ist der Papst die Wahrheit.“ Und Papst Innozenz III. forderte: „Man muss dem Papst gehorchen, selbst wenn er Böses befiehlt.“[1]
Die von Hubertus Mynarek angeführten fundamentalistischen Stellen im Neuen Testament und Koran zeigen auch die Haltlosigkeit der von christlichen Theologen und Religionswissenschaftlern gern praktizierten Unterscheidung zwischen dem Christentum als typischer Gnadenreligion und dem Islam als typischer Gesetzreligion.[1]
Fundamentalismus und Denkverbote nach der Säkularisation
Hubertus Mynarek arbeitet Fundamentalismus und Denkverbote zwar am Beispiel der Katholischen Kirche heraus, weist aber schon darauf hin, dass dieses Phänomen nicht auf die christliche Religion beschränkt ist. „Moralische Gebote und Verbote, proklamiert als Wille Gottes, stehen bei den prophetischen Religionen hoch im Kurs.“ [1] Die Sache ist allerdings nicht mit der Säkularisation erledigt.
Ein oft gehörter Vorwurf geht dahin, das Christentum hätte die (europäische) Aufklärung sich gebracht, während der Islam diese Entwicklung noch vor sich habe. Der Theologe und Experte in kirchlicher Dogmatik Mynarek entlarvt die „Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen“ allerdings als eine Verlautbarung schöner Worte ohne aber in der Sache ein Zugeständnis zu machen. Leerformeln in schöne Worte zu kleiden ist eine Kunst, in der die katholische Kirche knapp 1700 Jahre Übung hat.
Der radikalste Ausdruck des Zeitalters der Aufklärung stammt von Nietzsche:
Es ist die Frage, inwieweit Nietzsche den Tod Gottes beschworen oder herbeigewünscht hat. Nietzsche verstand sich hier wohlmöglich mehr als Beobachter, der seine Zeit analysierte, vor allem die seiner Auffassung nach inzwischen marode gewordene (christliche) Zivilisation. Der stilistisch dichte Text des 125. Aphorismus lässt den Tod Gottes als bedrohliches Ereignis erscheinen. Dem Sprecher darin graut vor der Schreckensvision, dass die zivilisierte Welt ihr bisheriges geistiges Fundament weitgehend zerstört hat:
Dieser unfassbare Vorgang würde gerade wegen der großen Dimension lange brauchen, um in seiner Tragweite erkannt zu werden: „Ich komme zu früh, sagte er dann, ich bin noch nicht an der Zeit. Diess ungeheure Ereigniss ist noch unterwegs und wandert, – es ist noch nicht bis zu den Ohren der Menschen gedrungen.“ Und es wird gefragt: „Ist nicht die Grösse dieser That [Gott getötet zu haben] zu gross für uns? Müssen wir nicht selber zu Göttern werden, um nur ihrer würdig zu erscheinen?“ Unter anderem aus diesem Gedanken heraus erscheint später die Idee des „Übermenschen“, wie sie vor allem im Zarathustra dargestellt wird: „Todt sind alle Götter: nun wollen wir, dass der Übermensch lebe.“ [4]
Tatsächlich wurde nicht Religion abgeschafft. Vielmehr wurde Gott der Thron streitig gemacht, um den Mensch an seiner Stelle auf den Thron zu setzen. Mit der Aufklärung wurde also mitnichten die Religion überwunden, sondern vielmehr der Übergang von der transzendenten Religion zur säkularen Religion beschritten.
Die Zeit der so genannten Aufklärung brachte vielerlei Utopisten hervor. Die katholischen Moralisten und Inquisitoren wandelten sich zu politisch korrekten Gutmenschen. Aus den Scheiterhaufen der Inquisition wurden die Guillotine der Jakobiner, die KZs der Nazis und der Archipel Gulag der Bolschewiki. Heutige Gutmenschen haben ihre Methoden verfeinert und vernichten ihre Gegner mit medialen Verleumdungskampagnen. Während der Französischen Revolution erklärte Maximilien de Robespierre, „bis zum Sieg über die Feinde müsse die Terreur fortgesetzt werden.“ Für Adolf Hitler war Terror ebenfalls ein legitimes Mittel, um ein neues, besseres Deutschland zu erschaffen. Ähnliches tat Stalin in der Sowjetunion, Mao in China und Pol Pot in Kambodscha. Robespierre bis Pol Pot waren es alles Utopisten und sie verstanden sich selbst als Gutmenschen, die für eine bessere Gesellschaft kämpften. Alle töteten sie für dieses Ziel Andersdenkende und zerschlugen die bestehenden Gesellschaftsstrukturen. Alle diese großen Sprünge nach vorn mit ihrer Ausrottungspolitik gegenüber „Klassenfeinden“ und „Volksschädlingen“ waren ja auch irgendwie Teil der großen Emanzipation/Aufklärung des Menschengeschlechts.
Die Waffe der Gutmenschen heute ist die Politischen Korrektheit und die Nazikeule. Der frühere sowjetische Regimekritiker Wladimir Bukowski hat die verhängnisvolle Herkunft dieser politischen Korrektheit eindrucksvoll beschrieben:
Der russische Publizist und ehemalige sowjetische Dissident Wladimir Bukowski hält einen kommenden Gulag in der EU für möglich:
Das vorläufige Endprodukt von 200 Jahren Emanzipation ist der Gutmensch. Er ist Nietzsches blinzelnder letzter Mensch. Anders als ein Gläubiger, der sich zu seinem Glauben bewusst bekennt, ist er als Ungläubiger Sklave seines Glaubens. Seiner Ersatzreligionen sind viele: Feminismus, Pazifismus, Klimaschutz, Konsumismus – und über allem thronend die Political Correctness.[7]
Tabus und Denkverbote in der heutigen Zeit
Thilo Sarrazin schreibt zu den Tabus und Denkverboten in Deutschland:
Thilo Sarrazin ist in seiner Kritik zwar „politisch-inkorrekt“, verliert sich aber in allgemeiner Kritik und benennt Ross und Reiter nicht.
Den Opfer- und Benachteiligungsdiskurs verdanken wir dem Feminismus, vorangetrieben wird es von einer ausufernden HelferInnenindustrie, welche mit den Geschäftsmodellen Opfer und Benachteiligte gutes Geld verdient.
Das herrschende Meinungsklima, das über moralische Erpressung funktioniert, verhindert, dass viele nicht wagen, sich gegen ihr Ausgenommenwerden zu wehren. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Idee von der sozialen Gerechtigkeit.
Unter dem Vorwand „soziale Gerechtigkeit“ oder „Geschlechtergerechtigkeit“ herstellen zu wollen, sichert sich die HelferInnenindustrie eine niemals versiegende Betätigungsquelle. Alexis de Tocqueville schreibt in seinem Klassiker „Über die Demokratie in Amerika“:
Und so füttert ein so genannter Sozialstaat eine ständig wachsende Helferindustrie. Das muss mit ständig steigenden Steuern und Abgaben finanziert werden. Darauf hinzuweisen gilt unter Gutmenschen als Sakrileg, die dann eilfertig vor „Sozialabbau“ und „sozialer Kälte“ warnen. Man muss sich allerdings vergegenwärtigen, dass die Ressourcen, die der Staat bereits abgeschöpft hat, den Familien nicht mehr zur Verfügung stehen. Dies wurde im Abschnitt über die finanzielle Austrocknung der Familien beschrieben. Jürgen Borchert sagt dazu „Der Staat treibt den Familien über Sozialbeiträge und Steuern die Sau vom Hof und gibt ihnen in Gönnerpose bei Wohlverhalten ein Kotelett zurück.“ [10] Das ist dann der Punkt, wo die so genannte Sozialpolitik unsozial wird.
Eva Hermann wiederum durfte nicht auf Fehlentwicklungen in der Familienpolitik aufmerksam machen. Sie wurde zur „Eva Braun“ erklärt und es wurde wahrheitswidrig behauptet, sie würde die Familienpolitik des Dritten Reiches loben. Mit dieser Nazikeule wurde der Diskurs unterbunden. Gutmenschen mögen den Diskurs nicht, weil ja schon zweifelsfrei wissen, was gut und richtig ist und so verteilen sie Ketzerhüte an Andersdenkende und stellen Denkverbote auf. Diese Denkverbote gilt es zu durchbrechen.