Die Ehe hat es in der einen oder anderen Form immer gegeben, zumindest solange wir kulturgeschichtlich zurückblicken können. Das Zusammenleben zwischen Mann und Frau hat immer eine Form gefunden und so wird es auch in Zukunft sein.
Mit der Heirat wird Verwandtschaft zwischen zwei Familien gestiftet.
Ganzheitlich, arrangiert oder Liebesideal?
Die Form der Ehe hat sich allerdings im Laufe der Geschichte immer wieder gewandelt. Die Thora (Altes Testament) beschreibt mit „er erkannte sie“ [1] die Eheschließung in einer ganzheitlichen Weise, wo das persönliche Erkennen, die Aufnahme sexueller Beziehungen und die Schließung einer ehelichen Lebensgemeinschaft zusammenfallen und auch mit einem einzigen Wort „erkennen“ benannt wird. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass dies nicht als religiöses Dogma beschrieben wird[2], sondern in geschichtlichen Schilderungen so verwendet wird. Ohne in religiöse Argumentation zu verfallen, soll in diesem Abschnitt dargelegt werden, wie sehr sich Eheformen im Laufe der Zeit gewandelt haben und wie dramatisch das im AT beschriebene ganzheitliche Verständnis von Ehe sich vom heute vorherrschenden unterscheidet, in der das Kennenlernen von Mann und Frau, das Eingehen sexueller Beziehungen und der Organisierung des Zusammenlebens (Verwandtschaft) weitgehend auseinander fallen.
An dieser Stelle soll auch betont werden, dass es darüber, was Ehe ausmacht, keinen wirklichen Konsens gibt. Besonders schmerzhaft wird das deutlich, wenn der gesellschaftliche Diskurs sich mit der unter Muslimen häufiger praktizierten arrangierten Heirat beschäftigt. Das hinter der arrangierten Heirat stehende Eheideal ist recht nahe am ganzheitlichen Verständnis der Bibel und ist doch sehr weit entfernt von dem in Europa gepflegten Ideal der Liebesheirat. Es soll hier nur die Frage aufgeworfen, aber nicht geklärt werden, ob eine pluralistische Gesellschaft wie die deutsche ein einheitliches Verständnis über Eheformen erzwingen sollte oder nicht. Tatsächlich wird im Diskurs um die gleichgeschlechtliche Ehe deutlich, dass es verschiedene Konzepte des Zusammenlebens gibt und wo die Gesellschaft eine andere Antwort gibt als bei der arrangierten Ehe.
Der Staat kann das Zusammenleben von Mann und Frau nicht auf eine einzige Rechtsnorm reduzieren.
Im Diskurs mit Muslimen kommt oft die Forderung auf, Muslime sollen sich (gefälligst) den deutschen Rechtsnormen anpassen. In der allgemeinen Form erscheint diese Forderung selbstverständlich, doch im Familienrecht sollte kritisch die Frage aufgeworfen werden, ob der Staat überhaupt so private Lebensbereiche wie Ehe und Familie gesetzlich regeln darf und soll. Es muss auch kritisch festgestellt werden, dass die standesamtliche Ehe nicht die einzig mögliche Form des Zusammenlebens zwischen Frau und Mann ist.
Engführung auf eine Rechtsnorm
Die heute in Deutschland gesetzlich verankerte monogame Ehe ist das Ergebnis eines Prozesses, in dem Affären, Konkubinate und Mehrehen durch das Christentum verboten wurden. In der Vergangenheit hat es immer sowohl die Einehe als auch die Mehrehe gegeben. Schon in der frühesten Menschheitsgeschichte gab es monogame Beziehungen, aber es gab eben auch anderes. Geschichtlich gab es auch die Kebsehe, Muntehe und Ehe zur Linken Hand (Morganatische Ehe). Jede dieser Eheformen hatte ihre Existenzberechtigung, weil jede ihren eigenen Zweck erfüllte.
Angesichts dieser Tatsachen ist es widersinnig, die vielen Formen der Beziehungen zwischen Frau und Mann, die ganz unterschiedlichen Zwecken dienen und mit denen verschiedene Lebensziele verfolgt werden, in eine einzige Rechtsform „Ehe“ zu pressen. Endgültig absurd wird es jedoch, wenn auch noch die Beziehungen zwischen zwei Männern oder zwei Frauen (gleichgeschlechtliche Beziehungen) durch die Rechtsform „Ehe“ geregelt werden sollen. Das kann nur zu einem Ergebnis führen, das keiner der Beziehungsformen gerecht wird. Extrem deutlich wird die Widersinnigkeit, wenn bei der Forderung nach der so genannten Homo-Ehe das Argument der Gleichheit bemüht wird. Man stelle sich nur die absurde Forderung vor, in der Wirtschaft alle Geschäftsarten AG, GmbH, GbR, KG und so weiter durch eine einzige Rechtsform ersetzen zu wollen und dies damit zu begründen, in der Wirtschaft seien ja alle gleich. Und doch findet genau das im Familienrecht statt.
Klärungsbedarf
Es soll bereits jetzt deutlich geworden sein, dass ein erheblicher Klärungsbedarf für eine Vielzahl von Fragen besteht. Diese sind zu klären, bevor man sich mit dem Thema Familienzerstörung beschäftigt. Jede Diskussion verläuft unbefriedigend, solange die Grundbegriffe nicht geklärt sind. Was der eine als Familienzerstörung beklagt, kann der andere als „Vielfalt der Lebensformen“ begrüßen. Anderseits impliziert „Vielfalt“ wiederum, dass nicht alles über „denselben rechtlichen Leisten geschlagen“ werden darf.
Der Staat vermischt mit Ehe und Konkubinat zwei Konzepte, die nicht zueinander passen.
Der eine versteht unter Ehe eine Verschwägerung, die tendentiell unauflösbar ist und nacheheliche Unterhaltsforderungen begründet, der andere versteht unter Ehe eher ein Konkubinat, das grundsätzlich jederzeit auflösbar ist und somit nach Beendigung auch keine Verpflichtungen nach sich zieht. Viele der Merkwürdigkeiten, die im Kapitel Familienrecht besprochen werden, haben ihre Ursache in dem grundsätzlichen Widerspruch, dass einerseits § 1353 BGB festgelegt „Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen“, andererseits die Ehe aber jederzeit und grundlos auflösbar ist (§ 1565 BGB). Das Problem besteht darin, dass zwei Konzepte zusammengewürfelt werden, die einfach nicht zusammenpassen: Die auf Lebenszeit geschlossene Ehe (= Verschwägerung) und das folgenlos jederzeit beendbare Konkubinat (= nichteheliche Lebensgemeinschaft). Beide Lebenskonzepte werden im Familienrecht nicht unterschieden und die sich dadurch ergebenden Widersprüche nirgends aufgelöst. Dieses offenzulegen wird Ziel dieses Buches sein.
Offene Fragen
Die folgenden Fragen sollen gestellt, aber nicht beantwortet werden, da es nicht die Intention dieses Buches ist, (fertige) Antworten zu geben, sondern in erster Linie eine Diskussion über Familienthemen anzustoßen. Das zweite Kapitel dieses Buches soll aber auch vor dem Hintergrund dieser Fragestellungen gelesen werden, weil dort nicht nur der Ist-Zustand beschrieben werden soll, sondern eben über bestehende Gesetzesregelungen im Familienrecht ein gesellschaftlicher Diskurs angeregt werden soll.
Ist es in einem säkularen Staat angemessen, seine Bürger auf eine einzige Eheform festzulegen, die ja letztendlich aus christlichen Idealen entstanden ist, die aber längst nicht mehr von allen geteilt werden?
Wenn es schon in früheren Zeiten verschiedene Eheformen parallel existierten, wie soll gerade in unserer differenzierten und modernen Gesellschaft genau eine Eheform ausreichend für alle Lebensentwürfe sein?
Früher gab es als Formen der geschlechtlichen Beziehung die Ehe, das Konkubinat und die Affäre bis auf Druck des Christentums Konkubinat und außereheliche Beziehungen (Affären) verboten wurden. Heutzutage greift der deutsche Gesetzgeber nicht mehr auf das Verbot zurück, sondern stellt alle Lebensformen auf eine Stufe. Es muss hinterfragt werden, ob das bei so unterschiedlichen Lebenskonzepten wie Ehe, Konkubinat und außereheliche Beziehung überhaupt sinnvoll (und den Lebenspartnern gewollt) ist.
Die Ehe ist eine dauerhafte und öffentliche Form der geschlechtlichen Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau, die durch das Eherecht geregelt wird, während das Konkubinat eine dauerhafte und nicht verheimlichte Form der geschlechtlichen Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau ist, die nicht durch das Eherecht geregelt wird und die Affäre eine nicht auf Dauer angelegte und oft verheimlichte Form der außerehelichen Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau ist, die ungeregelt ist und jederzeit formlos beendet werden kann.
Es ist nicht einzusehen, dass es in der Komplexität der heutigen Gesellschaft für das Zusammenleben von Mann und Frau nur eine einzige Lösung geben soll. Das Christentum hat mit dem Verbot von Mehrehe, Konkubinat und außerehelichen Beziehung die Monopolisierung der Ehe in der christlichen Interpretationsvariante erzwungen. Die 68er-Bewegung hat den Wunsch nach dem Konkubinat neu belebt und dieses auch als „Wilde Ehe“ bezeichnet. Mit dem neuen Scheidungsgesetz von 1976 hat man die bürgerliche Ehe (rechtlich gesehen) praktisch auf das Niveau einer jederzeit beendbare Affäre abgewertet. In jüngster Zeit führen durch eine Gleichbehandlungsideologie getriebene Familienrechtsänderungen zu einer Gleichmacherei zwischen Ehe, Konkubinat und Affäre (s. Besenkammeraffäre). Eheliche und uneheliche Kinder sowie verheiratete, geschiedene und unverheiratete Frauen sollen rechtlich gleichgestellt werden.
Was aber ideologisch schnell gefordert werden kann, ist rechtlich nicht so einfach umzusetzen. Es gehört ebenso zur Vertragsfreiheit die Freiheit vor ein Standesamt zu treten und die Ehe einzugehen wie auch diesen Schritt eben bewusst nicht zu tun. Eine rechtliche Gleichstellung würde massiv in das Recht der Vertragsfreiheit eingreifen. Oben wurde schon die Frage, inwieweit dem Staat das Recht zusteht, private und intimste Lebensverhältnisse rechtlich zu reglementieren, aufgeworfen. Es stellt sich auch die Frage, ob staatliche Regeln Paaren auferzwungen werden dürfen, die staatliche Regelungen explizit vermeiden bzw. ablehnen.
Zwangsregelungen für persönliche Beziehungen
Nina Dethloff stellte auf dem 67. Deutschen Juristentag weitreichende Vorstellungen von Juristen vor. „Für bestimmte verfestigte Lebensgemeinschaften sollten gesetzliche Regelungen geschaffen werden, die den Ausgleich eines partnerschaftsbedingten wirtschaftlichen Ungleichgewichts ermöglichen.“ Sie schlägt einen Vermögensausgleich, Unterhaltsansprüche und sogar Regeln zur Verteilung des Hausrats vor. Wer trotzdem ungeregelt zusammenleben möchte, müsste dies vertraglich festlegen.[3]
Es ist nicht die Aufgabe des Staates, die persönlichen Beziehungen von Mann und Frau gesetzlich zu regeln.
Der Staat versucht Menschen gesetzliche Regelungen aufzuzwingen, die erklärtermaßen ihre persönlichen Beziehungen nicht gesetzlich regeln wollen. Die Forderung, wer trotzdem ungeregelt zusammenleben möchte, müsse dies vertraglich festlegen, ist absurd. In einer Zeit, wo die bürgerliche Ehe zu einer Partnerschaft auf Zeit mutiert und gleichzeitig aber die ungeregelte Beziehung zunehmend gesetzlich geregelt wird, und damit quasi durch die juristische Hintertür zu einer Ehe mutiert, werden Beziehungen zu Frauen für Männer zu einem unkalkulierbaren Risiko. Außerdem hebt der Staat auf diesem Wege gerade in einem sehr sensiblen und privaten Bereich schrittweise die Vertrags- und Koalitionsfreiheit auf. Im Grunde verstößt der Staat damit gegen seine eigenen Gesetze, wonach niemand gegen seinen Willen zu einem Eheschluss gezwungen werden darf.
Alte Vorbilder
In kurioser Weise nähern wir uns in gewisser Weise alten Vorbildern an.
Für die Komplexität der heutigen Probleme kann es deshalb nicht nur eine einzige Lösung geben. Stattdessen deuten sich verschiedene Auswege aus der jetzigen Krise an. Jeder kennt heute Paare, die offen „ohne Trauschein“ zusammenleben, oft „nur auf Probe“, aber manchmal auch jahrzehntelang. Außerdem gibt es vereinzelt „registrierte Partnerschaften“ für verschieden- und gleichgeschlechtliche Paare. Und natürlich besteht auch die traditionelle Ehe weiter, oft zusätzlich mit kirchlichem Segen. Mit dieser Vielfalt haben wir uns wieder den Zuständen im alten Rom angenähert, denn das römische Recht kannte noch verschiedene gültige Eheformen – vom gewohnheitsmäßigen Zusammenleben über eine einfache zeremonielle Heirat bis zur feierlichen Eheschließung mit 10 Zeugen und einem Priester. Je leichter die Ehe zustande kam, umso leichter war sie auch wieder zu scheiden. Insofern waren die alten Römer sehr realistisch.
Diesen wachsenden Realismus finden wir nun im heutigen Europa wieder, und er scheint die besten Chancen für das Überleben der Ehe als Institution zu eröffnen. Oder vielleicht sollte man besser sagen „das Überleben der Ehe in verschiedenen Formen“. Schon Goethe hatte erkannt: „Eines schickt sich nicht für alle“, aber irgendeine rechtliche Absicherung wird von den Paaren schon aus praktischen Gründen immer erwünscht sein, und sie liegt auch im Interesse der Gesellschaft. Nichts kann eine Gesellschaft so stabilisieren wie eine rechtlich anerkannte Paarbeziehung. Die verschiedenen europäischen Länder sind insgesamt nun auf dem Wege, hier die nötige Rechtsvielfalt und damit auch eine abgestufte Rechtssicherheit zu schaffen. Man hat mit den „registrierten Partnerschaften“ schon einen wichtigen Schritt getan, aber am Ende wird man verschieden- und gleichgeschlechtliche Paare überall gleich behandeln müssen. Auch für die Ersteren wird es die vollgültige Ehe geben, und den Letzteren wird man auch die einfachere „registrierte Partnerschaft“ nicht verwehren wollen. Mit anderen Worten: Um allen gerecht zu werden, werden alle zwischen verschiedenen Eheformen wählen können, und diese Flexibilität wird es erlauben, der Ehe wieder einmal die Zukunft zu sichern.[4]
Dennoch: Die Einehe hat nach und nach überall die anderen Eheformen zurückgedrängt, und das ist kein Zufall. Rein biologisch gesehen halten sich die Geschlechter ja etwa die Waage, d.&bsp;h. es werden ungefähr immer so viele Mädchen wie Jungen geboren. Wenn es gerecht zugeht, gibt es eben für jede Frau eigentlich nur einen Mann, und für jeden Mann nur eine Frau. Dieses Gleichgewicht wird nur durch gewaltsame Eingriffe gestört, wenn z. B. viele Männer in Kriegen fallen, wenn einige Männer erheblich mehr Macht als andere erringen und diese dann auch sexuell benachteiligen können, wenn massenhaft weibliche Babys getötet oder weibliche Föten abgetrieben werden usw. Solche Gewaltakte sind aber auf Dauer „gegen die Natur“, und so setzte sich im Laufe der Geschichte fast überall eine gewisse sexuelle Gleichberechtigung durch – zunächst unter den Männern, dann aber auch zwischen den Geschlechtern. Ist aber das natürliche Gleichgewicht erst einmal wieder hergestellt, dann bekommt auch die Einehe sozusagen „automatisch“ wieder ihre Chance. Heute spricht vor allem eines für sie: Sie ist die einzige Form der Ehe, in der eine wirkliche Gleichberechtigung der Partner möglich ist.[4]
Eine alte Definition lautet:
„Die Ehe ist die Vereinigung eines Mannes und einer Frau zur unauflöslichen Lebensgemeinschaft zwecks Fortpflanzung des Menschengeschlechtes, sofern beide dafür fähig sind.“
Der Satz sollte zum besseren Verständnis aber noch vom Kopf auf die Füße gestellt werden, denn die Fortpflanzung des Menschengeschlechtes gab es bereits vorher. Ideengeschichtlich haben sich Menschen erst fortgepflanzt und dann dem ein Rahmen gegeben, um den Nachwuchs und die Verwandtschaft besser zu schützen. Dass man die Eheschließung zeitlich vor den eigentlichen Fortpflanzungsakt vorzog, hat mit der Idee zu tun, dass es sinnvoll ist, sich vorher zu überlegen, mit welcher Frau man sich fortzupflanzen beabsichtigt und mit welcher Familie man verwandtschaftliche Bande anstrebt.
Bösartig ausgedrückt könnte man das so beschreiben: Wer alles durchvögelt, was ihm über den Weg läuft, und erst hinterher schaut, wen er da gepoppt hat, ist auf eine vorkulturelle Stufe zurückgefallen.
Emanzipation
Trotz der vielen möglichen Formen der Paarbeziehung sollte doch das unverbindliche Zusammenleben von der Ehe unterschieden werden. Mit der Heirat wird Verwandtschaft zwischen zwei Familien gestiftet. Es besteht da schon ein Unterschied zu dem spontanen „Wir sind zusammen!“ und willkürlichen „Ich habe mich getrennt!“. Nach althergebrachtem Verständnis wird eine Ehe gestiftet, wenn ein Mann eine Frau heiratet, diese aber sich von ihm heiraten lässt. Er begründet ein Haus, sie aber wird in dieses Haus aufgenommen. Darin liegt der emanzipatorische Impuls, sich von seiner Herkunftsfamilie zu lösen und einen wirtschaftlich eigenständigen Haushalt zu gründen. Emanzipation bedeutet nämlich ursprünglich, einen erwachsenen Sohn in die Eigenständigkeit zu entlassen. Wenn heute ein Paar fröhlich verkündet „Wir haben geheiratet“, dann hat das nur allzu oft nichts mit dem Verwandtschaft stiftenden Charakter des Ehebundes zu tun, und manchmal auch nichts mit wirtschaftlicher Eigenständigkeit. Und so passiert es, dass die alleinerziehende Mutter, deren unemanzipierte Lebensweise mit Transferleistungen subventioniert wird, in völliger Verkennung der Begrifflichkeiten als Ein-Eltern-Familie klassifiziert wird.
[1] Beispielsweise in der Genesis: „Adam erkannte Eva.“ (Genesis 4, 1); „Und Kain erkannte sein Weib.“ (Genesis 4, 17); „Und Elkana erkannte Hanna, sein Weib.“ (1. Samuel 28, 14)
[2] Wie etwa das Wort aus dem Matthäus-Evangelium „Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden!“ (Mt 19, 6)
[3]Wird die „Nichtehe“ geregelt? – Juristentag diskutiert Vorschläge, n-tv am 21. September 2008: „Die Ehe mutiert gerade vom Bund fürs Leben zur Partnerschaft auf Zeit, in der Realität wie im Gesetzbuch. Gleichzeitig wird die einstmals wilde Ehe bürgerlich, sie wird zunehmend geregelt.“
1.1.2. Die Ehe
Die Ehe hat es in der einen oder anderen Form immer gegeben, zumindest solange wir kulturgeschichtlich zurückblicken können. Das Zusammenleben zwischen Mann und Frau hat immer eine Form gefunden und so wird es auch in Zukunft sein.
Ganzheitlich, arrangiert oder Liebesideal?
Die Form der Ehe hat sich allerdings im Laufe der Geschichte immer wieder gewandelt. Die Thora (Altes Testament) beschreibt mit „er erkannte sie“ [1] die Eheschließung in einer ganzheitlichen Weise, wo das persönliche Erkennen, die Aufnahme sexueller Beziehungen und die Schließung einer ehelichen Lebensgemeinschaft zusammenfallen und auch mit einem einzigen Wort „erkennen“ benannt wird. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass dies nicht als religiöses Dogma beschrieben wird[2], sondern in geschichtlichen Schilderungen so verwendet wird. Ohne in religiöse Argumentation zu verfallen, soll in diesem Abschnitt dargelegt werden, wie sehr sich Eheformen im Laufe der Zeit gewandelt haben und wie dramatisch das im AT beschriebene ganzheitliche Verständnis von Ehe sich vom heute vorherrschenden unterscheidet, in der das Kennenlernen von Mann und Frau, das Eingehen sexueller Beziehungen und der Organisierung des Zusammenlebens (Verwandtschaft) weitgehend auseinander fallen.
An dieser Stelle soll auch betont werden, dass es darüber, was Ehe ausmacht, keinen wirklichen Konsens gibt. Besonders schmerzhaft wird das deutlich, wenn der gesellschaftliche Diskurs sich mit der unter Muslimen häufiger praktizierten arrangierten Heirat beschäftigt. Das hinter der arrangierten Heirat stehende Eheideal ist recht nahe am ganzheitlichen Verständnis der Bibel und ist doch sehr weit entfernt von dem in Europa gepflegten Ideal der Liebesheirat. Es soll hier nur die Frage aufgeworfen, aber nicht geklärt werden, ob eine pluralistische Gesellschaft wie die deutsche ein einheitliches Verständnis über Eheformen erzwingen sollte oder nicht. Tatsächlich wird im Diskurs um die gleichgeschlechtliche Ehe deutlich, dass es verschiedene Konzepte des Zusammenlebens gibt und wo die Gesellschaft eine andere Antwort gibt als bei der arrangierten Ehe.
Im Diskurs mit Muslimen kommt oft die Forderung auf, Muslime sollen sich (gefälligst) den deutschen Rechtsnormen anpassen. In der allgemeinen Form erscheint diese Forderung selbstverständlich, doch im Familienrecht sollte kritisch die Frage aufgeworfen werden, ob der Staat überhaupt so private Lebensbereiche wie Ehe und Familie gesetzlich regeln darf und soll. Es muss auch kritisch festgestellt werden, dass die standesamtliche Ehe nicht die einzig mögliche Form des Zusammenlebens zwischen Frau und Mann ist.
Engführung auf eine Rechtsnorm
Die heute in Deutschland gesetzlich verankerte monogame Ehe ist das Ergebnis eines Prozesses, in dem Affären, Konkubinate und Mehrehen durch das Christentum verboten wurden. In der Vergangenheit hat es immer sowohl die Einehe als auch die Mehrehe gegeben. Schon in der frühesten Menschheitsgeschichte gab es monogame Beziehungen, aber es gab eben auch anderes. Geschichtlich gab es auch die Kebsehe, Muntehe und Ehe zur Linken Hand (Morganatische Ehe). Jede dieser Eheformen hatte ihre Existenzberechtigung, weil jede ihren eigenen Zweck erfüllte.
Angesichts dieser Tatsachen ist es widersinnig, die vielen Formen der Beziehungen zwischen Frau und Mann, die ganz unterschiedlichen Zwecken dienen und mit denen verschiedene Lebensziele verfolgt werden, in eine einzige Rechtsform „Ehe“ zu pressen. Endgültig absurd wird es jedoch, wenn auch noch die Beziehungen zwischen zwei Männern oder zwei Frauen (gleichgeschlechtliche Beziehungen) durch die Rechtsform „Ehe“ geregelt werden sollen. Das kann nur zu einem Ergebnis führen, das keiner der Beziehungsformen gerecht wird. Extrem deutlich wird die Widersinnigkeit, wenn bei der Forderung nach der so genannten Homo-Ehe das Argument der Gleichheit bemüht wird. Man stelle sich nur die absurde Forderung vor, in der Wirtschaft alle Geschäftsarten AG, GmbH, GbR, KG und so weiter durch eine einzige Rechtsform ersetzen zu wollen und dies damit zu begründen, in der Wirtschaft seien ja alle gleich. Und doch findet genau das im Familienrecht statt.
Klärungsbedarf
Es soll bereits jetzt deutlich geworden sein, dass ein erheblicher Klärungsbedarf für eine Vielzahl von Fragen besteht. Diese sind zu klären, bevor man sich mit dem Thema Familienzerstörung beschäftigt. Jede Diskussion verläuft unbefriedigend, solange die Grundbegriffe nicht geklärt sind. Was der eine als Familienzerstörung beklagt, kann der andere als „Vielfalt der Lebensformen“ begrüßen. Anderseits impliziert „Vielfalt“ wiederum, dass nicht alles über „denselben rechtlichen Leisten geschlagen“ werden darf.
Der eine versteht unter Ehe eine Verschwägerung, die tendentiell unauflösbar ist und nacheheliche Unterhaltsforderungen begründet, der andere versteht unter Ehe eher ein Konkubinat, das grundsätzlich jederzeit auflösbar ist und somit nach Beendigung auch keine Verpflichtungen nach sich zieht. Viele der Merkwürdigkeiten, die im Kapitel Familienrecht besprochen werden, haben ihre Ursache in dem grundsätzlichen Widerspruch, dass einerseits § 1353 BGB festgelegt „Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen“, andererseits die Ehe aber jederzeit und grundlos auflösbar ist (§ 1565 BGB). Das Problem besteht darin, dass zwei Konzepte zusammengewürfelt werden, die einfach nicht zusammenpassen: Die auf Lebenszeit geschlossene Ehe (= Verschwägerung) und das folgenlos jederzeit beendbare Konkubinat (= nichteheliche Lebensgemeinschaft). Beide Lebenskonzepte werden im Familienrecht nicht unterschieden und die sich dadurch ergebenden Widersprüche nirgends aufgelöst. Dieses offenzulegen wird Ziel dieses Buches sein.
Offene Fragen
Die folgenden Fragen sollen gestellt, aber nicht beantwortet werden, da es nicht die Intention dieses Buches ist, (fertige) Antworten zu geben, sondern in erster Linie eine Diskussion über Familienthemen anzustoßen. Das zweite Kapitel dieses Buches soll aber auch vor dem Hintergrund dieser Fragestellungen gelesen werden, weil dort nicht nur der Ist-Zustand beschrieben werden soll, sondern eben über bestehende Gesetzesregelungen im Familienrecht ein gesellschaftlicher Diskurs angeregt werden soll.
Die Ehe ist eine dauerhafte und öffentliche Form der geschlechtlichen Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau, die durch das Eherecht geregelt wird, während das Konkubinat eine dauerhafte und nicht verheimlichte Form der geschlechtlichen Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau ist, die nicht durch das Eherecht geregelt wird und die Affäre eine nicht auf Dauer angelegte und oft verheimlichte Form der außerehelichen Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau ist, die ungeregelt ist und jederzeit formlos beendet werden kann.
Es ist nicht einzusehen, dass es in der Komplexität der heutigen Gesellschaft für das Zusammenleben von Mann und Frau nur eine einzige Lösung geben soll. Das Christentum hat mit dem Verbot von Mehrehe, Konkubinat und außerehelichen Beziehung die Monopolisierung der Ehe in der christlichen Interpretationsvariante erzwungen. Die 68er-Bewegung hat den Wunsch nach dem Konkubinat neu belebt und dieses auch als „Wilde Ehe“ bezeichnet. Mit dem neuen Scheidungsgesetz von 1976 hat man die bürgerliche Ehe (rechtlich gesehen) praktisch auf das Niveau einer jederzeit beendbare Affäre abgewertet. In jüngster Zeit führen durch eine Gleichbehandlungsideologie getriebene Familienrechtsänderungen zu einer Gleichmacherei zwischen Ehe, Konkubinat und Affäre (s. Besenkammeraffäre). Eheliche und uneheliche Kinder sowie verheiratete, geschiedene und unverheiratete Frauen sollen rechtlich gleichgestellt werden.
Was aber ideologisch schnell gefordert werden kann, ist rechtlich nicht so einfach umzusetzen. Es gehört ebenso zur Vertragsfreiheit die Freiheit vor ein Standesamt zu treten und die Ehe einzugehen wie auch diesen Schritt eben bewusst nicht zu tun. Eine rechtliche Gleichstellung würde massiv in das Recht der Vertragsfreiheit eingreifen. Oben wurde schon die Frage, inwieweit dem Staat das Recht zusteht, private und intimste Lebensverhältnisse rechtlich zu reglementieren, aufgeworfen. Es stellt sich auch die Frage, ob staatliche Regeln Paaren auferzwungen werden dürfen, die staatliche Regelungen explizit vermeiden bzw. ablehnen.
Zwangsregelungen für persönliche Beziehungen
Nina Dethloff stellte auf dem 67. Deutschen Juristentag weitreichende Vorstellungen von Juristen vor. „Für bestimmte verfestigte Lebensgemeinschaften sollten gesetzliche Regelungen geschaffen werden, die den Ausgleich eines partnerschaftsbedingten wirtschaftlichen Ungleichgewichts ermöglichen.“ Sie schlägt einen Vermögensausgleich, Unterhaltsansprüche und sogar Regeln zur Verteilung des Hausrats vor. Wer trotzdem ungeregelt zusammenleben möchte, müsste dies vertraglich festlegen.[3]
Der Staat versucht Menschen gesetzliche Regelungen aufzuzwingen, die erklärtermaßen ihre persönlichen Beziehungen nicht gesetzlich regeln wollen. Die Forderung, wer trotzdem ungeregelt zusammenleben möchte, müsse dies vertraglich festlegen, ist absurd. In einer Zeit, wo die bürgerliche Ehe zu einer Partnerschaft auf Zeit mutiert und gleichzeitig aber die ungeregelte Beziehung zunehmend gesetzlich geregelt wird, und damit quasi durch die juristische Hintertür zu einer Ehe mutiert, werden Beziehungen zu Frauen für Männer zu einem unkalkulierbaren Risiko. Außerdem hebt der Staat auf diesem Wege gerade in einem sehr sensiblen und privaten Bereich schrittweise die Vertrags- und Koalitionsfreiheit auf. Im Grunde verstößt der Staat damit gegen seine eigenen Gesetze, wonach niemand gegen seinen Willen zu einem Eheschluss gezwungen werden darf.
Alte Vorbilder
In kurioser Weise nähern wir uns in gewisser Weise alten Vorbildern an.
Eine alte Definition lautet:
Der Satz sollte zum besseren Verständnis aber noch vom Kopf auf die Füße gestellt werden, denn die Fortpflanzung des Menschengeschlechtes gab es bereits vorher. Ideengeschichtlich haben sich Menschen erst fortgepflanzt und dann dem ein Rahmen gegeben, um den Nachwuchs und die Verwandtschaft besser zu schützen. Dass man die Eheschließung zeitlich vor den eigentlichen Fortpflanzungsakt vorzog, hat mit der Idee zu tun, dass es sinnvoll ist, sich vorher zu überlegen, mit welcher Frau man sich fortzupflanzen beabsichtigt und mit welcher Familie man verwandtschaftliche Bande anstrebt.
Bösartig ausgedrückt könnte man das so beschreiben: Wer alles durchvögelt, was ihm über den Weg läuft, und erst hinterher schaut, wen er da gepoppt hat, ist auf eine vorkulturelle Stufe zurückgefallen.
Emanzipation
Trotz der vielen möglichen Formen der Paarbeziehung sollte doch das unverbindliche Zusammenleben von der Ehe unterschieden werden. Mit der Heirat wird Verwandtschaft zwischen zwei Familien gestiftet. Es besteht da schon ein Unterschied zu dem spontanen „Wir sind zusammen!“ und willkürlichen „Ich habe mich getrennt!“. Nach althergebrachtem Verständnis wird eine Ehe gestiftet, wenn ein Mann eine Frau heiratet, diese aber sich von ihm heiraten lässt. Er begründet ein Haus, sie aber wird in dieses Haus aufgenommen. Darin liegt der emanzipatorische Impuls, sich von seiner Herkunftsfamilie zu lösen und einen wirtschaftlich eigenständigen Haushalt zu gründen. Emanzipation bedeutet nämlich ursprünglich, einen erwachsenen Sohn in die Eigenständigkeit zu entlassen. Wenn heute ein Paar fröhlich verkündet „Wir haben geheiratet“, dann hat das nur allzu oft nichts mit dem Verwandtschaft stiftenden Charakter des Ehebundes zu tun, und manchmal auch nichts mit wirtschaftlicher Eigenständigkeit. Und so passiert es, dass die alleinerziehende Mutter, deren unemanzipierte Lebensweise mit Transferleistungen subventioniert wird, in völliger Verkennung der Begrifflichkeiten als Ein-Eltern-Familie klassifiziert wird.