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Die Familie und ihre Zerstörer

Was schief läuft und was anders werden muss – Eine überfällige Debatte

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4.5.3. Die Religion als Privatsache

Als weiteres Beispiel für die Atomisierung der Gesellschaft sei der Versuch angeführt, die Religion zur Privatsache degradieren zu wollen. Es ist nicht Sache dieses Buches, zur Verteidigung der Religion aufzurufen. Allerdings soll darauf aufmerksam gemacht werden, wie einerseits erklärt wird „das Private ist Politisch“ (= öffentlich), wenn es um die Familie geht, andererseits soll aber das öffentliche zur Privatsache werden, wenn es um die Religion geht.

Das sollte den kritischen Zeit­genossen aufhorchen lassen, denn die Familie wird durch ihre Verrechtlichung für die staatliche Kontrolle geöffnet; sie verliert ihre Wirksamkeit als privater Gegenpol zum öffentlichen Staat. Die Religion hingegen wird durch die Abschiebung in die Privat­sphäre zu einer persönlichen Marotte abgewertet; sie wird bedeutungslos und geht der Funktion als moralischer Gegenpol zum gesetzlichen und macht­politischen Staat verlustig.

Spannend ist, in diesem Zusammenhang die Diskussionen darüber zu verfolgen, ob die Religion der Muslime denn nun mit dem Grundgesetz vereinbar sei oder nicht. Der Schweizer Islam-Wissen­schaftlers Lukas Wick geht auf rund 200 Seiten der Frage nach, inwiefern sich der Islam mit einem modernen Verfassungsstaat wie der Schweiz vereinbaren lässt.[1]
Dieses Buch handelt nicht über Religion, deshalb muss an dieser Stelle nicht auf Einzelheiten des Islams oder des Korans eingegangen werden. Tatsächlich geht es auch nicht um die Frage, ob und inwieweit der Islam mit den Verfassungen westlicher Länder vereinbar ist, denn dann müsste dies auch bezüglich anderer Religionen diskutiert werden. So steht beispielsweise das Christentum für das Primat der Religion über die Politik.[2] Gegen das Christentum wird allerdings anders argumentiert, da werden Kindes­missbrauch und der Zölibat ins Feld geführt.

Es ist vielmehr so, dass das Feindbild Islam als Vehikel benutzt wird, um gegen Religion allgemein zu schießen. Die Anläufe aus verschiedenen Kreisen, Religion als „überholt“, „irrational“ und „irrelevant“ darzustellen, sind andere Methoden der Diskreditierung.
Der Hintergrund für diese Angriffe besteht darin, dass Religionen sowohl Verständnis von Familie kodieren, als auch Werte und Normen definieren. Das ist den Dekonstruktivisten ein Dorn im Auge. Dekonstruktivismus ist eine moderne Denkrichtung in säkularen Gesellschaften, die Begriffe wie Familie, Mann, Frau, Vater, Mutter, Moral und Werte „dekonstruiert“, d. h. auflöst. Im Abschnitt Genderismus wurde aufgezeigt, wie die Unterschiede der Geschlechter geleugnet werden und behauptet wird, das Frau-Sein oder Mann-Sein wäre nur eingeredet und von der Gesellschaft „konstruiert“, frei nach dem Motto Simone de Beauvoirs, „man wird nicht als Frau geboren“.

Das dekonstruktivistische Denken greift tief in das Wertefundament unserer Gesellschaft ein. Der evolutionärer Humanismus verwirft generell jede wertebindenden objektive Wahrheiten und propagiert eine Ideologie, die die alten Werte zerstören soll. Sir Julian Huxley erklärt beispielsweise: „Wir müssen uns von der irrigen Annahme entfernen zu glauben, dass es so etwas wie Wahrheit oder Tugend gibt.“ Für Huxley ist alles relativ, nichts ist gewiss. Alles kann nach Gutdünken neu gedacht und gemacht werden. Auch Mann und Frau können „umgedacht“ werden. Aber eben auch die Begriffe „gut“ und „böse“, sowie „richtig“ und „falsch“.
Durch die Autorität der in der Gesellschaft immer noch hoch geachteten und ton­angebenden Natur­wissen­schaftler erhielt der Relativismus, der heute das philosophische und theologische Denken beherrscht, eine wissen­schaft­liche Absegnung.[3]
Dabei wollen die, welche sich als Humanisten verkleiden, nicht etwa darum Gott abzuschaffen – in dem Sinne Nietzsches, der erklärte „Gott ist tot!“ – sie wollen sich vielmehr selbst auf den Thron Gottes setzen.

Wenn aber alle Werte und Normen dekonstruiert und alles für relativ erklärt ist, dann wird eine Gesellschaft handlungs­unfähig, weil ihr die Entscheidungs­grundlage entzogen wurde. Eine Werte­gleichheit im Sinne von „Alles ist möglich“ wird nicht durch­zu­halten sein. Auf die Dekonstruktion aller Werte und Normen folgte also der Kampf um die Deutungs­hoheit über Werte und Normen.

An dieser Stelle wird erkennbar, warum die Religion in die Privat­sphäre abgeschoben werden soll. Man möchte statt einer Trennung von Kirche und Staat ein Primat des Staates über die Religion durchsetzen. Neben dem Gewaltmonopol und der Gesetz­gebung möchte der Staat jetzt auch die Werte­fest­setzung alleine für sich beanspruchen. Das führt in letzter Konsequenz zu einem totalen Staat nach orwell’schem Vorbild.

Schon an anderer Stelle wurde darauf hingewiesen, dass der Staat die Ordnungsmacht jetzt auch in der Familie allein für sich beansprucht.[4] Mit dem Ausbau von staatlichen Kinder­gärten und Kinder­krippen sichert sich der Staat die Kontrolle seiner Bürger schon im jüngsten Alter. Mit dem Abdrängen der Religion in die Privatsphäre möchte sich der Staat zusätzlich noch die Definition über die Werte seiner Bürger aneignen, die zuvor durch Dekonstruktivismus und Relativismus zerstört wurden.

Diese Entwicklung führt schleichend zum Ende des freien Bürgers und zur totalen Bevormundung der Bürger durch ihren Staat, weil wichtige Prinzipien der Gewalten­teilung und der Subsidiarität außer Kraft gesetzt werden. Um Religion geht es dabei nur peripher.

Allerdings lässt sich die Angst der Bevölkerung vor dem Islam prima für die Selbst­entmündigung der Bürger instrumentalisieren. Islamkritiker gelten da als unverdächtige Gewährs­träger.

„Der Koran gehöre aus der Politik verbannt und auf die Privatsphäre beschränkt“, verkündet beispielsweise der Imam-Sohn Hamed Abdel-Samad.[5] Er fordert einen „Islam Light“ ohne „Scharia“, ohne „Geschlechter-Apartheid“ und ohne Missionierung.[6] Schon der Begriff „Geschlechter-Apartheid“ signalisiert die Abwertung derer, die es wagen andere Werte zu vertreten als man selbst. Und die Ablehung der Mission zeugt davon, dass Religion eben keine Außenwirkung entfalten sollte und sich auf die vier Wände der Privat­wohnung bescheiden soll. Man könnte auch fordern, „die Bibel gehöre aus der Politik verbannt“ oder „die Zehn Gebote gehörten auf die Privatsphäre beschränkt“, aber das wäre wohl dann doch zu offensichtlich. Aber die Abschaffung des Zölibats zu fordern, tut es schließlich auch.

Wenn das Thema also auf Religion als Privatsache kommt, dann geht es weniger um Religions­freiheit oder die private Religions­ausübung, sondern eher um eine Kompetenz­ausweitung des Staates zu Lasten der Freiheit des Bürgers. Zu der Zerstörung der Familie durch direktes Eingreifen des Staates in den autonomen Bereich der Familie kommt noch zusätzlich der Griff des Staates nach der Deutungshoheit im Bereich Werte und Normen, was wiederum Einfluss hat auf die Wertschätzung und dem Verständnis der Familie.

→ Grimmsche Märchen, Romeo und Julia → Entartete Kunst, Buchverbrennung, Kulturbarberei

Familienfall Gorber Überlingen – Atomisierung einer Großfamilie: Gerichtsverhandlung am 29.7.2008 im Amtsgericht Überlingen



[1] Muss der Islam verboten werden?, Weltwoche am 11. Mai 2010
[2] vgl. „Es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt. Wer sich daher der staatlichen Ordnung widersetzt, stellt sich gegen die Ordnung Gottes, und wer sich ihm entgegenstellt, wird dem Gericht verfallen. […] Sie steht im Dienst Gottes und vollstreckt das Urteil an dem, der Böses tut.“ (Römer 13,1-7) und „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ (Apostelgeschichte 5,29)
[3] Inge Thürkauf: „Von der biologischen Revolution zur Diktatur des Genderismus“, AZK-Konferenz II am 27.09.2008 (HTML-Dokument, Video)
[4] Karl Albrecht Schachtschneider: „Rechtsproblem Familie“, Seite 30 HTML-Dokument PDF-Dokument
[5] Islam: „Geburtsfehler kann man nicht heilen“, Weltwoche am 11. Mai 2010
[6] Positionen: Und es gibt ihn doch – den Islam!, Tagesspiegel am 5. Januar 2010