Informationsstelle
für verheiratete
Männer und Frauen

Die Familie und ihre Zerstörer

Was schief läuft und was anders werden muss – Eine überfällige Debatte

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3.1.1.1. Familienpolitik

Nachdem im Kapitel Familie die Begrifflichkeiten und im Kapitel Familienrecht die rechtlichen Fragen geklärt wurden, ist es nun an der Zeit, die Familien­politik zu skizzieren.

Die Familien­politik zu beschreiben ist gar nicht so einfach, denn wenn man den Sprechblasen der Politiker und den Partei­programmen glauben will, dann geht es immer angeblich darum, die Familie zu schützen, zu fördern oder zu entlasten. Doch merkwürdigerweise deckt sich das nicht mit der allgemeinen Erfahrung der Familien­zerstörung. Um das zu klären, muss man tief graben.

„Die Parteien betreiben mit ihrer Familien­politik nicht mehr als Schaum­schlägerei.“ [1]

Unter dem Euphemismus „Familien­politik“ oder gar „Familien­förderung“ geht in Deutschland eine schrittweise Sozialisierung familiärer Funktionen und eine Umfinanzierung der Familie vor sich, von Eigen- auf Fremd-, das heißt Staats­finanzierung. An dieser Entwicklung arbeiten alle maßgebenden Parteien mit.[2]


zurückDie soziale Entkernung der Familie

Der erste Schritt war die Ablösung des natürlichen familiären Generationen­vertrag durch den so genannten Generationen­vertrags auf nationaler Ebene, die Sozialversicherung, die weiter ausgebaut wurde, zuletzt mit der Pflege­versicherung. Die Familie als uralte Solidaritäts­einrichtung wurde dadurch geschwächt, dass Kinder nicht mehr ihre eigenen Eltern, sondern die Alters­versorgung der anonymen Gesamtheit aller Eltern der Nation zu finanzieren haben.

Gleichzeitig wurden wichtige familiäre Funktionen der Betreuung, Unter­richtung und Erziehung auf überwiegend steuer-, also zwangs­finanzierte Einrichtungen wie Kinder­horte, -gärten oder -tages­stätten übertragen, was schrittweise ausgebaut wird, zuletzt mit der Krippe für Kinder unter drei Jahren. Die Familie wurde also auch in dieser Richtung sozial entkernt. Ferner wurde die Finanzierung der Kinder in allgemein­bildenden Schulen und später Universitäten entprivatisiert. Auch der allgemeine Unterhalt der Kinder wurde über allerlei Kindergelder bzw. „Eltern­gelder“ ohne Rücksicht auf Bedürftigkeit großteils vom Staat übernommen. Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel schätzt, dass etwa 50 Prozent der Kinderkosten inzwischen auf den Staat übertragen sind. (2005: 240 Milliarden Euro, ca. 10,7 Prozent des deutschen Brutto­inland­produktes)

Insgesamt liegen die Sozial­abgaben weit über 40 Prozent, und die direkten und indirekten Steuern und allerlei Gebühren hinzugerechnet bleibt heutzutage einem Facharbeiter von seinem Brutto­verdienst gerade noch ein Drittel. Familien werden mit ihrem eigenen Geld vom Staat abhängig gemacht.[2] (Siehe Finanzielle Austrocknung der Familie) Die sozialistische Forderung nach der Abschaffung der Familie findet nicht mehr über Revolution, sondern über Sozialpolitik statt.

Der moderne Wohl­fahrts­staat mit dem Anspruch der möglichst gleichen Lebens­chancen für alle („soziale Gerechtigkeit“) führt den egalitär-atomistischen Sozialismus weiter, nicht in dessen gewaltsamen Methoden, wohl aber in den letzten Idealen und Zielen (von Hayek 2003, S. 345 ff.). Dies betrifft nicht nur eine skeptische Einstellung gegen das Privat­eigentum, sondern ebenso gegen die Autonomie der Familie. Die Familien­politik in ihren Varianten und begleitenden Maßnahmen ist Ausdruck dieser Bestrebung, die Familie weitgehend durch künstliche Organisationen zu ersetzen, wobei sie von einem egalitären Feminismus. Es geht bei allen familien­politischen und angeblich kinder­freundlichen Maßnahmen des Wohl­fahrts­staates darum, diese „Ur­gemein­schaft“ in ihren Funktionen und ihrer hierarchischen Gliederung zu schwächen und von sich abhängig zu machen, so dass alle Bürger dem Staat in größtmöglicher Gleichheit gegen­über­stehen. Der prinzipielle Widerstand gegen diese Entwicklung ist bisher eher schwach.[3] Allenfalls einzelne Bischöfe der Katholischen Kirche sind hin und wieder mit kraftvollen Worten zu vernehmen und die FDP mit der Forderung nach „weniger Staat“.

Besonders bei der Kinder­betreuung wird deutlich, dass die sozialistischen Hinter­lassen­schaften des Ostens nicht länger verfemt sind, sie werden inzwischen offen als Vorbild vorgeführt. Der Stern titelt sportlich: „Vorbildliches Sachsen-Anhalt. Ost schlägt West in der Betreuung um Längen.“ „Schon zu DDR-Zeiten war es üblich, Kinder in Kitas betreuen zu lassen. Diese Tradition wirkt bis heute nach und hat zur Folge, dass in allen neuen Bundesländern mindestens 40 Prozent aller Drei­jährigen in Krippen betreut werden.“ [4] Es stört west­deutsche Politiker nicht mehr, dass die Regierung des „real existierenden Sozialismus“ mit dem umfassenden System der Kinder­betreuung die Überwachung der Familien und Gängelung seiner Bürger im Sinn hatte. „Ab 2013 soll es einen bundesweit geltenden Rechts­anspruch auf Kinder­betreuung geben. Dafür soll das Angebot auch im Westen auf 35 Prozent der Kinder bis zu drei Jahren ausgebaut werden. Der Deutsche Städtetag hält selbst die 35-Prozent-Quote für zu niedrig angesetzt. Er rechnet damit, dass mehr Eltern ihre Kinder in Tagesstätten schicken wollen.“ Wenn der Rechts­anspruch – dieses Wort schmeichelt dem Bürger und stimmt ihn milde, weil er naiverweise denkt, der Staat würde ihm Rechte zugestehen und dabei nicht bemerkt, wie der Staat ihm die Kompetenz über seine Kinder schrittweise entzieht – erst einmal realisiert und die nötige Infra­struktur aufgebaut ist, dann ist der (staatliche) Zwang nicht mehr weit. Dieser Zwang muss nicht einmal gesetzlich fixiert werden, öffentlicher Druck zusammen mit strukturellem Zwang wird völlig ausreichen. Bei der Einschulung haben heutzutage schon die Kinder­garten­mitarbeiter mehr zu sagen als die Eltern selbst. Man muss nur auf bürokratischer Ebene Kinder ohne Fremdbetreuung schlechter bewerten, und schon sind Eltern unter Druck, die ihre Kinder nicht staatlichen Kinder­betreuungs­einrichtungen überlassen. Wie das geht, kann man heute schon am Beispiel der Familien mit Migrations­hinter­grund erleben. „In Deutschlands Kinder­tages­stätten spielen sehr viel weniger Kinder mit Migrations­hinter­grund als andere. Besonders bei den Unter-Dreijährigen ist der Unterschied deutlich. Hier ging nur jedes Zehnte mit ausländischen Wurzeln (10,5 Prozent) in eine Krippe oder zu einer Tagesmutter. Bei den Mädchen und Jungen ohne Migrations­hinter­grund war es dagegen jedes vierte (25 Prozent).“ [5]

So macht man aus Eltern, die ihre Kinder selbst betreuen, zu Minus-Menschen. Ein Gedicht beschreibt eine alte Geschichte so:

Im Hinblick auf die Familien­politik könnten sich die Dinge so entwickeln:

„Als sie die Kommunisten holten,
schwieg ich, ich war ja kein Kommunist.

Als sie die Juden holten,
schwieg ich, ich war ja kein Jude.

Als sie mich holten,
war niemand mehr da, der etwas sagen konnte.“
[6]

„Als sie die Kinder der Migranten holten,
schwieg ich, ich war ja kein Migrant.

Als sie die Kinder der Religiösen holten,
schwieg ich, ich war ja nicht religiös.

Als sie meine Kinder holten,
war es zu spät, etwas zu sagen.“
[7]

Bemerkenswert ist auch, wie die Medien völlig unkritisch in orwellscher Manier die Werbung für die staatliche Kinder­betreuung bewerben. „Wegen der akuten Finanznot der oft hoch verschuldeten Kommunen bezweifelt der Städtetag genauso wie der Deutsche Städte- und Gemeinde­bund, dass der Rechts­anspruch überhaupt bis zu diesem Zeitpunkt verwirklicht werden kann.“[4] Immerhin schimmert durch diese Aussage die Tatsache hindurch, dass letztlich die „Wohltaten des Staates“ letztlich der Bürger bezahlen muss. Die Kosten für diese „Enteignung“ ihrer Zuständigkeiten müssen die Enteigneten selber tragen. Das erkennt aber nur der selbst denkende Bürger.

„Und wenn alle anderen die von der Partei verbreitete Lüge – wenn alle Auf­zeichnungen gleich lauteten – dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurde Wahrheit.“ [8]

zurückDie Familie als Wirtschaftsgemeinschaft

Die Familie (von der Wirtschaft „privater Haushalt“ genannt) wird per definitionem nur als Ort des Konsums wahrgenommen und ihre Wertschöpfung bleibt in der volks­wirtschaft­lichen Gesamtrechnung unberücksichtigt.

In dieser kapitalistischen Sichtweise, in der nur Geldströme relevant sind, sinkt das Brutto­sozial­produkt beispielsweise, wenn der Junggeselle seine bisherige Haushälterin heiratet. Diese Absurdität hat der Nationalökonom Friedrich List schon vor 150 Jahren formuliert:

„In dieser ökonomischen Betrachtung ist, wer Schweine erzieht, ein produktives, und wer Kinder erzieht, ein unproduktives Mitglied der Gesellschaft.“ [9]

Natürlich ist es falsch, Familie auf den monetären Aspekt reduzieren zu wollen. Die Familie war schon immer auch eine Wirtschafts­gemeinschaft und als solche die Basis aller wirtschaftlichen Aktivität. Daran hat sich über Jahrtausende nichts geändert, bis die Geldwirtschaft die Arbeits­leistung in Geld bewertet und die Industrialisierung den Ort der Erwerbsarbeit vom Ort der Rekreation und Reproduktion getrennt hat. Damit trat eine Entwicklung ein, welche bestimmt unbeabsichtigt war, aber von Feministinnen als Benach­teiligung und Unter­drückung der Frau interpretiert werden wird: Die Erwerbs­leistung des Mannes wird in Geld bezahlt, das wiederum universell einsetzbar ist für weitere wirtschaftliche Aktivität. Die Reproduktions­arbeit der Frau ist nicht direkt mess- und bewertbar, was sie subjektiv minderwertig erscheinen lässt. Aber auch die Frau kann geldwerte Leistungen erbringen, etwa wenn sie als Marktfrau etwas verkauft, als Waschfrau für andere wäscht oder als Amme Kinder wohlhabender Eltern betreut.

„In dieser ökonomischen Betrachtung ist eine Mutter, die eigene Kinder (zu Hause) erzieht, ein unproduktives, und die Frau, die fremde Kinder (im Kindergarten) erzieht, ein produktives Mitglied der Gesellschaft.“

Das war wohl der Anlass für Feministinnen, Frauen als unterdrückt und ausgebeutet darzustellen. Es gibt allerdings noch andere wichtige Bereiche, in der unbezahlte Arbeit geleistet wird, beispielsweise von Männern bei der Feuerwehr und beim Katastrophen­schutz. Im familiären Bereich ist aber nicht nur die Aufzucht und Erziehung der Kinder betroffen, sondern auch die Betreuung und Pflege der Alten:

„In dieser ökonomischen Betrachtung ist ein Kind, das seine eigenen (pflege­bedürftigen) Eltern betreut, ein unproduktives, und das Kind, das fremde Pflege­bedürftige (etwa in einem Altersheim) betreut, ein produktives Mitglied der Gesellschaft.“

Die Markt- und Geldwirtschaft, welche auf eine Maximierung der Tausch­wert­produktion ausgerichtet sind, haben ein ökonomisches Informations- und Bewertungs­system geschaffen, in welchem die reproduktiven Leistungen keinen Platz haben, weil dort keine geldwerten Tauschwerte geschaffen werden.

Kinder werden in dieser Sichtweise zur reinen Privatsache, zu einem individuellen Hobby, die ökonomisch nichts einbringen und nur Kosten zum privaten Vergnügen der Eltern verursachen.
Für die Ökonomen werden sie erst wahrgenommen, wenn sie als fertiges Humankapital der Gesellschaft zur Verfügung stehen, ähnlich einem Naturprodukt, das nach einer Reifezeit kostenlos von der Natur zur Verfügung gestellt von einem Baum gepflückt werden kann.

Die Zeiten, wo Konrad Adenauer noch sagen konnte, „Kinder bekommen die Leute von alleine“, sind längst vorbei. Vom ökonomischen Gewinn­maximierungs­prinzip her ist es schlau, die kosten- und arbeits­intensive Kinder­auf­zucht anderen als „Hobby“ zu überlassen, selbst als Doppel­verdiener ohne Kinder bei geringeren Kosten mehr Geld zu verdienen und dann im Alter von den Beiträgen zur Altersvorsorge zu profitieren, die von den Kindern anderer erwirtschaftet werden.

Der Sozialrichter Jürgen Borchert beschreibt die Familien­politik in Deutschland so:

„Der Staat treibt den Familien über Sozialbeiträge und Steuern die Sau vom Hof und gibt ihnen in Gönnerpose bei Wohlverhalten ein Kotelett zurück.“ [10]

Der Kritiker der deutschen Sozial- und Familien­politik räumt mit dem Mythos auf, die Familie werde in Deutschland gefördert.[11]

Das Problem der Familie in Deutschland ist also nicht nur, dass der Staat Scheidung fördert und finanziert, sondern die Familien durch das Zusammenwirken von Wirtschaft, Steuer und Gesellschaft auch finanziell ausbluten lässt. Eine Familie, der ihre (finanziellen) Ressourcen beraubt werden, verlieren ihre Unabhängigkeit und damit ihre autonome Gestaltungs­fähigkeit gesell­schaft­lichen Lebens.

zurückDie Familie als Konkurrenzmodell

Die Institution der Familie befindet sich seit langem in Konkurrenz zu dem Anspruch des Staates, die Untertanen oder Bürger einzeln an sich zu binden, zu homogenisieren und hierbei jede Konkurrenz auszuschließen. Die Familie war und ist Konkurrent im Anspruch an Loyalität und Gehorsam, sie ist eine Quelle der Ungleichheit und eines kollektiven „Privategoismus“.[3]

Die Familie mit ihrer Selbst­versorger­funktion steht ebenfalls in Konkurrenz zur Wirtschaft. Das, was die Familie selbst an Obst, Kartoffeln und Gemüse selbst erntet, als Marmelade selbst einkocht und Kaninchen­fleisch selbst produziert, wird auf dem Markt nicht an Fertig­gerichten nachgefragt. Das schwächt den Konsum, bremst das Wirtschafts­wachstum (siehe Wirtschaftspolitik) und „gefährdet“ so unseren Wohlstand. Wobei schon zu fragen ist, was Fast-Food an selbst zubereitetem Essen voraushaben sollte. Der Zeitgewinn kann es nicht sein, denn Kochen und Essen sind Kernbereiche der Familie, wo soziale Interaktion stattfindet und Gemeinsinn entsteht. Wer seine Kinder selbst betreut und seine Eltern selbst pflegt, fragt entsprechende Dienstleistungen nicht bei professionellen Betreuungs- und Pflege­diensten nach. Es entspricht nur markt­wirt­schaft­lichen Mechanismen, dass die freie Wirtschaft versucht familiare Monopolstellungen zu knacken.

Ohne hier ein romantisches Selbstversorger-Bild propagieren zu wollen, so soll doch darauf hingewiesen werden, in welchem Spannungs­verhältnis die Familien stehen und auf welche Weise unsere Freiheit bedroht ist. Je geringer die Selbst­versorgungs­fähigkeit, desto erpressbarer sind die Bürger. Wer keinen eigenen Garten hat, ist über die Lebens­mittel­preise erpressbar. Wer seine Kinder nicht selbst betreut, muss damit rechnen, dass staatliche Erzieher die Kinder in einem anderen Sinne erziehen. Unter den Möglichkeiten ist, dass christliche Kinder dann nicht mehr sonntags in die Kirche gegen wollen, weil ihnen beigebracht wurde ihre Religion „doof“ zu finden und muslimische Mädchen wollen kein Kopftuch tragen, weil ihnen eingetrichtert wurde, dass das Frauen unterdrücke. Das wird dann den Eltern als „Kindeswille“ und „Kindeswohl“ verkauft, auch wenn klar ist, dass die Kinder im Sinne des Genderismus konditioniert werden. Wenn Sie etwas dagegen haben, dass Ihre Kinder zu homosexuellen Verhalten angeleitet werden, dann haben Sie Pech: Das Personal in staatlichen Kinder­ein­richtungen sind als „Informelle Mitarbeiter“ (IM) des Jugendamtes bekannt. Und worin das Kindeswohl im konkreten Einzelfall besteht, definiert der Staat. Auch wer später im Alter nicht auf eine funktionierende Familien­struktur zurückgreifen kann und auf Pflegedienste angewiesen ist, der wird erleben, wie er auf büro­kratischen Wege durch die Pflege­versicherung erpressbar ist.

Es kommt einem Kompliment an die ethische Über­legen­heit und Faszinations­kraft der Familie gleich, dass der marxistische Sozialismus (‹Engels 1884/1984; Bebel 1895/1964›) versuchte, das, was diese Gemeinschaft an „sozialer Wärme“, Liebe und gegenseitiger Hilfe bietet und sie so faszinierend und anziehend macht (hierzu besonders das genannte „Kompendium“ 2006), auf die Ebene sich gegenseitig unbekannter Millionen Menschen einer anonymen „Groß­gesell­schaft“ zu erstrecken (‹Hayek 2003; Popper 1973›). Das Experiment mit dieser erweiterten Familien­ethik ist indessen gescheitert. Der Versuch, die Familie vollständig aufzulösen, wurde aufgegeben (russischer „Kriegs­kommunismus“ 1917-1921, chinesische „Kultur­revolution“ ‹Schafarewitsch 1980, Feldmann 1997›). In geschwächter und beaufsichtigter Form musste die Familie schließlich auch im sozialistischen System geduldet werden.[3] Diese Erkenntnisse werden bei fast allen Politikern der FDGO schmerzlich vermisst.

Mit dem Gesetz vom 26. November 2001 hat der Staat den Gewaltbegriff (elterliche Gewalt) durch den der (elterlichen) Sorge ersetzt und damit Expressis verbis der Familie die Ordnungsmacht abgesprochen. Die Ordnungsmacht beansprucht jetzt auch in der Familie allein der Staat. Mit dieser Ausdehnung des staatlichen Gewaltmonopols hat der Staat das wohl wichtigste Element der Gewalten­teilung beseitigt und sich vollends zum totalen Staat entwickelt.[12]

Die Schwächung der Familie trifft durch die rechtliche Entsorgung der Väter zunächst die Männer. Auf der einen Seite ist das eine staatliche Bevorzugung der Frau, auf der anderen Seite gerät die Frau dabei in die Abhängigkeit des Staates. Darüberhinaus ist zu konstatieren, dass die Frau das „subventionierte Geschlecht“ ist. Die bevorzugte Stellung der Frauen gerät in dem Moment ins Wanken, sobald Männer nicht mehr bereit sind, die für die Privilegien der Frauen die nötigen Transfer­leistungen zu erwirtschaften.

zurückFrauen­politik statt Familien­politik

In dem Maße, wie die Familie nicht mehr als wirtschaftliche Einheit wahrgenommen wird, verliert die Familien­politik an Bedeutung. Zwar wird die Familie von Politikern in Sonntags­reden immer noch hochgehalten, aber es ist Altkanzler Schröder zu verdanken, der in bemerkenswerter Offenheit die Bedeutung der Familien für die Politik klarstellte, als er im Wahlkampf Oktober 1998 die Ostberliner SPD-Politikerin Christine Bergmann als „zuständig für Frauen und das ganze andere Gedöns“ bezeichnete.[13]

Aktive Familien­politik findet praktisch nicht mehr statt, es sei denn, man definiert die allein­erziehende Mutter mit Kind als Familie. Männer spielen aus politischer Sicht in der Familie keine Rolle mehr, außer als Unterhaltszahler, Urheber häuslicher Gewalt und Sündenbock für allen Unbill, der Frauen im realen Leben widerfährt. Eine positive Rolle für Männer in der Familie ist im „Ministerium für alle außer Männer“ nicht zu finden. So findet Familien­politik fast ausschließlich als Frauen­politik statt, im politischen Neusprech auch Gleich­stellungs­politik genannt. Ministerin Bergmann legte sich folgerichtig als Frauen­politikerin ins Zeug. So schuf ihr Ministerium zahlreiche frauen­spezifische Qualifizierungs­angebote, ein Startgeldsystem für Existenz­gründerinnen wurde ins Leben gerufen, kostenlose Internet­schulungen für Frauen fanden statt („Frauen ans Netz“), Hilfsprogramme für behinderte Frauen wurden entwickelt, die Renten­ansprüche für Frauen wurden erleichtert, das Engagement gegen Frauenhandel und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verstärkt und ein gesetzlicher Schutz gegen häusliche Gewalt geschaffen.[13]

Familien­politik gestaltet sich in Deutschland als Frauen­politik, die mit der Abschaffung des Familien­ober­hauptes begann und mit der Degradierung des Mannes als Zahlesel für das Mutter-Kind-Idyll seinen vorläufigen Höhepunkt gefunden hat. Das „Ministerium für alle außer Männer“ verdient eher die Bezeichnung „Frauen-Lobby“ denn Familien­ministerium. Es ist Bergmanns Eifer zu verdanken, dass der Frauen­bewegung eine weitgehende Institutionalisierung gelang. So gab es bundesweit allein im öffentlich-rechtlichen Bereich bereits 20.000 Frauen­beauftragte.[13] Man stelle sich 20.000 öffentlich bezahlte Lobbyisten für „Männer­angelegen­heiten“ vor: unvorstellbar! Dieses Heer an Frauen­beauftragten haben vorzugsweise zwei Funktionen: Erstens haben sie immer wieder die Benachteiligung der Frauen zu attestieren und weitere Gründe für Frauen­förderung und -bevorzugung zu liefern, und zweitens haben sie die Durchsetzung der Gender-Agenda sicherzustellen.

Frauen wurde ein ganzes Ministerium zur Verfügung gestellt, was der Frauen­bewegung die Gelegenheit gab, sich zum Staats­feminismus weiter zu entwickeln. Die Geschichte des Familien­ministeriums zeigt vor allem eins:

Männer machen Politik für alle, Frauen machen Politik nur für Frauen. [14]

zurückGender-Zwangs­umerziehung statt Familienpolitik

Neben dem Frauen-Lobbyismus spielt das „Ministerium für alle außer Männer“ für die Gender-Agenda eine heraus­ragende Rolle.
Gender Mainstreaming ist eine Strategie, um durchgängig sicher­zu­stellen, dass Gleichstellung als Staatsaufgabe insbesondere von allen Akteurinnen und Akteuren der öffentlichen Verwaltung verwirklicht wird.[15] Der EU-Fachbegriff Gender Mainstreaming bedeutet „Einbindung der Chancen­gleich­heit in sämtliche Konzepte der Europäischen Gemeinschaft“ und steht für eine prinzipielle Politik der Geschlechter-Gleich­berechtigung, die von oben angeordnet werden kann und nicht von unten erobert werden muss.[13]

Diese Gender-Umerziehung wird von der Regierung auch an staatlichen Schulen umgesetzt. Das Themenportal „Gender und Schule“, gefördert vom Nieder­sächsischen Kultus­ministerium, bietet unter dem auffallenden Titel „Der Perlonstrumpf an einem Jungenbein bringt Schwung in die Koedukation“ Unter­richts­ideen, mit dem Jungen in der Schule zu Mädchen umerzogen werden sollen. Im Impressum heißt es dazu: „Um Chancen­gleich­heit zu erreichen, müssen verfestigte Rollen aufgebrochen und verändert werden.“ [16]

Damit ist klar, dass die Idee von der Familie als autonome Einheit, auf dem Staat und Gesellschaft aufgebaut ist (von unten nach oben), aufgegeben wurde. Vielmehr wird jetzt von Staats wegen (oben) festgelegt, was unter dem Begriff Familie zu verstehen sei und den Bürgern wird vorgeschrieben, wie sie (unten) zu leben haben. Das geht von der Frage, wer wann wielange Erziehungs­urlaub nimmt (das entsprechende Gesetz greift bereits in die Entscheidungs­hoheit der Familie ein), wer wann Kinder betreut (wenn die Kinder­krippen erst bereitgestellt sind, wird der Staat Mittel und Wege finden, die Familien zu zwingen, ihre Kinder der staatlichen Erziehung zu überlassen.) und wieviel und wielange Männer Unterhalt für fortgelaufene Exfrauen und Kinder, die sie nicht einmal mehr sehen dürfen, zu leisten haben (Düssel­dorfer Tabelle und ständige Recht­sprechung).

In dem dritten Familienbericht aus dem Jahre 1979 spricht man von Familie:

„[…] wenn durch Geburt und Adoption von Kindern aus der Ehe eine biologisch-soziale Kleingruppe zusammen­lebender Menschen entsteht. Das ist die ‚Normalfamilie‘. Von ihr gibt es Abweichungen verschiedener Art; zum Beispiel die ‚Familie‘ die aus einer allein stehenden Mutter mit Kindern besteht oder in der ein verwitweter Vater mit Kindern zusammenlebt.“ [17]

Der vierte und fünfte Familienbericht dokumentiert das geänderte Familien­verständnis der Bundes­regierung:

„Sie begreift Familie als eine dynamische Form menschlichen Zusammenlebens, die Veränderungen unterliegt und von den kulturellen Vorstellungen und Wert­haltungen ebenso geprägt ist wie von den sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten einer Gesellschaft.“ [18]

Es fällt auf, dass in dieser Definition alle Schlüsselbegriffe fehlen, die Familie ausmachen. Weder Ehe noch Kinder noch Mutter noch Vater kommen in dem Text explizit vor. Die Formulierung „dynamische Form“ besagt, dass die Bundes­regierung davon Abstand genommen hat, sich auf eine konkrete Definition von Familie festzulegen. Sie behält sich vor, situativ festzulegen, was sie unter Familie verstanden wissen will. De facto wird damit der Art. 6 Abs. 1 GG (besonderer Schutz von Ehe und Familie durch die staatliche Gemeinschaft) außer Kraft gesetzt. Die Grund­rechte (Art. 1-19 GG) sind in ihrem Wesen nach Abwehrrechte der Bürger gegen den Staat. In dem Maße, wie der Staat sich die Definitions­gewalt über die Familie aneignet, schützt der Staat nur das, was er geschützt wissen will und das in Art. 6 Abs. 1 GG formulierte Abwehrrecht der Bürger löst sich in Wohlgefallen auf. Was es konkret bedeutet, wenn der Staat die Definitions­hoheit über den Begriff Familie hat, wird im Abschnitt Staatliche Zwangs­ver­heiratung dargelegt.

„Die beste Familien­politik ist es, die Familie ganz in Ruhe zu lassen. Der von fast allen deutschen Parteien eingeschlagene Weg ist der sichere Weg zur Familien­zerstörung.“ [2]

Die wichtige Funktion der Familie, dass durch Ehe zwischen Menschen Verwandtschaft gestiftet wird, spielt für den Staat keine Rolle mehr. Es ist längst üblich geworden und wird als „normal“ erachtet, wenn nicht nur Väter aus dem Leben eines Kindes verdrängt werden, sondern auch Tanten, Onkel und Großeltern väterlicherseits.

  • „Die große Umerziehung“, Junge Freiheit am 10. August 2007 HTML-Dokument PDF-Dokument
  • „Der Perlonstrumpf an einem Jungenbein bringt Schwung in die Koedukation“ PDF-Dokument PDF-Dokument
zurückGleichstellungspolitik

Gleichstellungspolitik ist die politisch korrekte Umschreibung für Frauen­förderung und Frauen­bevorzugung. Es lässt sich schwer leugnen, dass die weibliche Allein­erziehende heute über mehr Macht verfügt, als das männliche Familien­ober­haupt je besaß.

Karin Jäckel versuchte es bei ihrem Anliegen der Gleichstellung von Müttern und Vätern im Grundgesetz auch mit einer Petition an den Deutschen Bundestag. Dort wird zwar Frauen und Müttern der Schutz der Solidar­gemein­schaft des Staates garantiert, nicht aber Vätern. In Zeiten politisch gewollten und forcierten Genderismus und der wachsenden Anzahl allein erziehender Väter eine längst nicht mehr passende, auch Kinder benachteiligende Ungleichstellung der Geschlechter!

Eine Entscheidung erging schnell und abschlägig: Eine Einbeziehung von Vätern in den gesetzlichen Schutz der staatlichen Solidar­gemein­schaft stelle eine abzulehnende Benachteiligung von Frauen und Müttern dar. Eine echte Gleichstellung von Vätern mit Müttern, Frauen mit Männern scheint die alle politische Parteien durch­ziehende kommunistisch-sozialistische Heilslehre zur „Frauen­befreiung vom Familienjoch“ zu gefährden. Frauen müssen anscheinend als Dauer-Opfer vorgeführt werden, um den permanenten politisch gewollten und vehement geführten Geschlechter­macht­kampf zu rechtfertigen.[19]

zurückVerstaatlichung der Familie

„Offenbar betrachten die Familien- und Schul­politiker der Unions­parteien Eltern als das, was sie für die Linke schon immer waren: als Laien und Dilettanten, die von Erziehung keine Ahnung haben und deshalb von den Fachleuten, die in der Politik den Ton angeben, an der Hand genommen, gegebenenfalls auch entmündigt werden müssen.“ [20]

Was berechtigt einen Staat dazu, alle Eltern so zu behandeln, als sei ihnen das Schicksal ihrer Kinder gleichgültig?

„Der Zusatz ‚… für alle!‘, ohne den kein staatliches Programm mehr auskommt, unterschlägt ja doch, dass es immer noch Eltern gibt, die den ihnen vom Grundgesetz zugewiesenen Auftrag, für ihre Kinder da zu sein, ernst nehmen und erfüllen. Dass es Familien gibt, in denen das Kindergeld nicht für Flach­bild­schirme oder Dosenbier ausgeben wird, sondern tatsächlich zum Wohle der Kinder. Dass es Eltern­häuser gibt, in denen die Kinder etwas lernen, was ihnen kein Staat beibringen kann, so alt­modische Tugenden nämlich wie Selbst­beherrschung und Wahrhaftigkeit, Verläss­lich­keit und Durch­halte­vermögen und vieles mehr. Schon deshalb ist der Ruf ‚… für alle!‘ die durchaus falsche Devise. Selbst im günstigsten Fall wird sie genauso viel zerstören wie sie hilft.
Die Konsequenz aus alledem hieße, die Familie so gut es eben geht in jene Rolle, aus der sie vertrieben worden ist, wieder einzusetzen.“
[21]

Die aktuelle Familien­politik läuft allerdings darauf hinaus, Eltern immer weiter zu entmündigen und Familie durch staatliche Programme zu ersetzen. Holger Bertrand Flöttmann zeigt aus seiner jahr­zehnte­langen Erfahrung als Therapeut die Defizite staatlicher Erziehung auf:

Der Ammenstaat und seine Kinder

Die milliarden­schweren Programme zur außerfamiliären Kinderbetreuung sind fehlinvestiert. Es wäre besser, den Familien diese Mittel zukommen zu lassen. Eine ureigenste Aufgabe der Familie, Kinder zu erziehen, ihnen Wärme, Liebe, Wurzeln und Flügel zu geben, soll ausgelagert werden, als wenn es sich um Outsourcing eines Unternehmens handeln würde. Von der Industrie- und Handels­kammer kam die Forderung nach durchgängiger Betreuung der Kinder auch an Wochenenden.[22] Die Eltern sollen ungestört ihrer Arbeit nachgehen, damit der optimalen Ausbeutung von Männern und Frauen nichts im Wege steht. Der Einzelne entmündigt sich selbst in dem Maße, wie er familiäre Leistungen auf Staats­ein­richtungen überträgt. Dabei treten Eltern die Erziehungs­gewalt an LehrerInnen, ErzieherInnen, Tages­mütter, Drogen­berater und Sozial­arbeiterInnen ab. Politiker und feministisch geprägte Medien drängen sie dazu. Und so treten die Erziehungs­unsicheren, die Angepassten, die Verantwortungs­schwachen und die Selbst­verwirklicher ihre Aufgaben an den Staat „als Verteilungs- und Verantwortungs­agentur“ ab.[23]

Es wirkt sich folgenreich auf Kinder und Jugendliche aus, wenn fürsorgliche, struktur­gebende Eltern als Vorbilder ausfallen. Sie brauchen jemanden der ihnen Grenzen setzt, ihr Gewissen und Über-Ich aufbaut. Sie brauchen Väter und Mütter, die ihnen Liebe und Zuwendung geben, Sprache und Bildung vermitteln. In den Zeiten, in der die Eltern arbeiten gehen, fehlt Kindern als dies. Feierabends und an den Wochenenden hingegen werden sie entweder auf Händen getragen und ertrinken in Zuwendung oder werden auch vor TV und PC abgeschoben, weil sich die Eltern ja auch noch selbstverwirklichen müssen.

Fremdbestimmte, Verantwortungs­lose, vom feministischen Geist Geprägte lassen Fremde, Bedienstete in ihre innersten Bereiche vordringen. Sie übergeben ihre Kinder den Kinder­krippen und Kinder­gärten. Hier bildet sich ein Bienenstaat heraus, in der jeder seine Funktion hat, vor allem aber geringen Einfluss auf seine Kinder. Es wird noch ein langer Weg sein, bis der Mensch aufgeklärt ist – so wie Kant es verstanden hat: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.“ Ziel der Aufklärung in diesem Sinne ist das allgemeine Wissen darüber, was Familien zerstört oder zusammenhält.[24]

Die antiautoritäre Familie war das Ziel der 68er. Die Autorität des Vaters war zu brechen. Zerbrochen ist bei vielen der Sinn der Ehe, der Verwandtschaft, der Treue und der Familie.[24] Mit Abschaffung des Familien­ober­hauptes wurde der Familie der innere Zusammenhalt genommen, ja gewissermaßen das Rückgrat gebrochen. Im Jahr 2004 wurden in Deutschland 213.691 Ehen geschieden. Doch damit nicht genug: Weniger als 50 % der Kinder nehmen gemeinsam mit der Familie eine Mahlzeit zu sich.[25] Wie weit die Zerstörung familiärer Strukturen inzwischen gediehen ist, spiegelt sich in folgenden Zahlen: 37 % der Privat­haushalte in Deutschland gestalten sich aus Allein­stehenden.[26] Die meisten deutschen Großstädte bestehen bereits zu über 50 % aus Einzel­haus­halten.

Zurück bleiben die Einsamen und Richtungs­losen mit ihrer Not. Eine Grund­schul­lehrerin berichtet:

„Die Hälfte meiner Schüler wird morgens von den Eltern zum Hort gebracht, anschließend kommen sie in die Schule. Fast alle diese Eltern sind den ganzen Tag berufstätig und erhalten ihre Kinder erst gegen Abend zurück. Anschließend werden diese Kinder eher verwöhnt als erzogen. Die Schule soll das Versäumte nachholen. Staatliche Einrichtungen ersetzen keine Eltern.“ [24]

Die Mängel der Staats­fürsorge sind also strukturell und haben nicht nur etwas mit Unter­finanzierung oder Qualifikationen der Mitarbeiter zu tun. Seltsame Erziehungsideale, die aus einer Gemengelage aus anti­autoritären und feministischen Gedankengut sowie Genderismus entspringen, tun ein Übriges.

Flöttmann berichtet folgende Beispiele aus dem Inneren staatlicher Kinderfürsorge.

Erzieherinnen bremsen aggressives Verhalten von vierjährigen Jungen nur oberflächlich. Schubsen, Stoßen, unflätige Ausdrücke und gegenseitiges Beschimpfen sind an der Tagesordnung. Ein zur Ordnung gerufener Junge ruft wie automatisch dem ihm unterworfenen Kameraden zu: „Entschuldigung!“ Es klingt unrecht, gelernt. Es handelt sich nicht um das kinder­übliche Schreien und Toben, sondern um unsoziales, zerstörerisches Verhalten. Der Junge schlägt den Kameraden in dem Bewusstsein, dass keinerlei Konsequenz aus seinem Tun erwächst, solange er das einstudierte Wörtchen „Entschuldigung“ sagt.

Einen Tag später unterhalten sich drei Erzieherinnen, während die Kinder tollen. Innerhalb von zwei Minuten schlägt ein Junge seinen Zwillings­bruder mit einem Stock viermal auf den Rücken – zwei Meter von den Erzieherinnen entfernt. Der Junge haut dann ein Mädchen mit dem Stock, anschließend wirft er ihn ihr ins Gesicht. Sie weint, läuft auf die Frauen zu. Eine ruft den Jungen. Er kommt lässig auf sie zu, die Hände im Anorak. Eine Erzieherin beugt sich tief zu ihm herunter. Sie spricht mit ihm – ihre Autorität schmälernd – in gebückter Haltung. So lernen Kinder, dass unsoziales Verhalten ohne Konsequenzen bleibt.

Eine Studentin berichtet: „Im Kindergarten kann ich mich noch an eine für mich damals grausame Szene erinnern. Ein Junge hatte meine Freundin in den Arm gebissen. Man hat sie anschließend gezwungen, den Jungen zurückzubeißen. Ich habe noch das Bild im Kopf, wie die Erzieherin den Jungen festhält, den Ärmel hochkrempelt und vor meiner Freundin steht. Die will ihn partout nicht beißen. Die Erzieherin wurde dann auch mit ihr böse.“

Grundschullehrer merken, dass das Störverhalten der Kinder in den Klassen zunimmt. Eine Lehrerin berichtet: „Ich bin schon froh und zufrieden, wenn drei Kinder in einer Klasse das an Sozial­verhalten verinnerlichen, was ich ihnen vermittle. Nicht das Lernen ist der eigentliche Knackpunkt des Unterrichts, sondern das gestörter Sozial­ver­halten. Die Unruhe ist montags am größten.“ Diese Unruhe ist meist die Folge einer Überdosis Fernseh­konsum am Wochenende.

Wo und wie sollen die Kinder soziales Verhalten lernen? Ohne Geschwister, mit zerstörerischen Fernseh­programmen und ohne strukturierend-erziehende Eltern?

Kinder werden heute vor allem von ihren Mitschülern durch unsoziales Verhalten geärgert oder gedemütigt. Wenn nach der Schule niemand zu Hause ist, der sich der Sorgen dieser Kinder annimmt, verlieren die Eltern den Kontakt zu ihrem Kind. Das Kind schluckt dann viel herunter. Es ist niemand da, der es stärkt, tröstet und den rechten Weg weist.

Staatlich verordnete Ganz­tags­betreuung wird da keine Abhilfe schaffen. Im Gegenteil. Eine Erzieherin, die zehn oder zwanzig Kinder zu betreuen hat, ist nicht in der Lage, die vielen Gemeinheiten und Hässlichkeiten verwöhnter, vernachlässigter Kinder zu erkennen, geschweige denn auf die Sorgen der Einzelnen einzugehen. Das Argument, dass auch in Familien Erziehungs­notstand herrscht, gerät meist zu einem Trojanischen Pferd, mit dem der staatliche Zugriff auf die Erziehungs­hoheit der Eltern legitimiert werden soll. Vielmehr muss die Erziehungs­kompetenz der Eltern gestärkt werden und das Bild von Familie und Erziehung auf eine höhere, bewusstere Ebene der Einzelnen gehoben werden.[24]

Unerfüllbare Ansprüche an die staatliche Erziehung

Eine Erzieherin beschreibt, was sie in ihrem Beruf unzufrieden macht:

„Es ist vor allem die unrealistische Anforderungs­haltung des Arbeitgebers, der Eltern und der Kinder. Das Wichtigste ist, alles zu dokumentieren, um es bewerten zu können, als Grundlage zur Optimierung. Dabei geht es im tieferen Sinn nicht um die Qualität der Arbeit mit den Kindern, sondern um die Wettbewerbs­fähigkeit auf dem Angebotsmarkt. Wäre ich in einem Unternehmen tätig, könnte ich dies sicherlich noch verstehen, aber ich arbeite mit Menschen. Mittlerweile bin ich so häufig mit der Dokumentation von Projekten, Aktivitäten, Eltern­gesprächen, Wochenplänen beschäftigt, dass ich häufig unter Zeitdruck gerate und sich dies auf den Betreuungs­umfang am Kind negativ auswirkt.

Ich muss alles in ausgedruckter Form abliefern, was das Ganze natürlich noch erschwert. Handgeschriebene Elternbriefe sind nicht mehr erlaubt.

Die Natürlichkeit hat ihre Berechtigung verloren, inklusive der Kindheit. Die Kindheit hat sich zu einem separierten Prozess entwickelt, der nicht mehr auf ganz natürliche Weise in unser alltägliches Leben mit eingeflochten wird. Dies scheint wohl eine umfassende Entwicklungs­tendenz zu sein, denn den Sterbe- und Alterungs­prozess haben wir ja auch schon ausgelagert.

Das Fatale ist nur, dass alle denken, sie hätten jetzt etwas Wunderbares geschaffen, endlich eine kindgerechte Kindheit. Um so mehr verstehen die meisten Eltern nicht, warum sie so viele Probleme mit ihrem Nachwuchs haben.

Genau hier liegt ein wesentlicher Anteil meiner Unzufriedenheit. Die Eltern kommen mit einer großen Erwartungs­haltung zu uns. Wir sollen ihrem Kind alles anbieten, es gut unterhalten und jegliche Defizite ausgleichen. Schließlich haben wir das ja gelernt. Leider wollen sie dann nicht wahrhaben, dass wir immer nur begrenzt auf die Verhaltens­weisen von Kindern einwirken und dass wir sie dort abholen müssen, wo sie ganz persönlich sind. ‚Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr‘, trifft hierfür zu. Voraussetzungen und Horizonte, die im Klein­kind­alter nicht geschaffen wurden, müssen hart erarbeitet werden. Das macht mich wütend! Es werden die Pädagogen zur Verantwortung gezogen, nicht die Eltern. Es gibt unendlich viele Institutionen und Einrichtungen, die sich dieser Kinder annehmen. Dadurch ist für viele Eltern Verantwortung ein Fremdwort. Aufgrund der Belegzahlen und dem zunehmenden Konkurrenz­kampf sozialer Einrichtungen, ist auch hier der Kunde König geworden. Am Anfang meiner Tätigkeit habe ich viele interessierte und engagierte Eltern erlebt. Dies vermittelte mir eine Wert­schätzung meiner Arbeit gegenüber und ich konnte gemeinsam mit den Eltern ein Ziel verfolgen. Wir benötigten keine Wochenpläne, denn die Eltern haben sich selbstständig informiert. Heute sind nur noch die Produkte wichtig, wie gebastelte Dinge, außergewöhnliche, zeitgemäße Aktivitäten. Diese Erwartungs­haltung wurde mittlerweile auf die Kinder übertragen. Die wissen genau, welche Rechte sie haben. Pflichten kennen sie nicht. Alles, was nicht kindgerecht auf sie abgestimmt ist, überfordert sie maßlos und führt zur Verweigerung. ‚Ich will aber spielen!‘ Kinder können kaum noch ein NEIN akzeptieren und es gibt ständig Endlosdebatten. Montags ist der unruhigste Tag bei uns. Da nölen und quengeln sie voller Unruhe herum. Wir wissen, die Kinder sind unausgeglichen. Sie haben vor dem Fernsehen gehockt.

Ich kann auch diese gestressten Mütter nicht mehr ertragen, die wie aufgescheuchte Hühner umherlaufen und sich zur Geißel ihrer Kinder machen lassen. Mütter, die keine Grenzen aufgezeigt und den Kindern vermittelt haben, dass auch sie eine eigene Daseins­berechtigung haben. Mütter, die sich nicht mal drei Minuten ungestört unterhalten können.

Kinder werden zu Konsumenten erzogen und das Leben ist ein Selbst­bedienungs­laden.

Ich mühe mich stundenweise am Tag ab, und großartig bewegen kann ich sowieso nichts, weil es die übrige Zeit wieder wie gehabt läuft.

Dann sitzen sie wieder krumm und schief am Essenstisch und stehen ständig auf, spielen zwischendurch ein wenig, oder schauen dabei Fernsehen. Das vergangene Jahr im Hort ist besonders frustrierend gewesen, weil die Kinder meistens bis 15:00 Uhr Haus­aufgaben machen und dann bis 16:00 Uhr kaum noch Zeit ist, etwas Schönes und Sinnvolles zu tun.

Zu Beginn meiner Tätigkeit kamen die meisten Eltern mit der Einstellung in unser Haus, ‚Das ist ja nett hier, so viele Möglichkeiten. Was macht ihr denn so mit den Kindern, wie können wir euch unterstützen?‘

Dann brach Phase zwei an, ‚Hallo, das ist mein Kind und ich möchte, dass es hier viel lernt und viel geboten bekommt, ich habe nämlich schrecklich wenig Zeit.‘

Die Steigerung des Ganzen haben wir heute: ‚Hallo, das ist mein Kind und ich möchte, dass ihm alles geboten wird und es seine Verhaltens­auf­fällig­keiten verliert. Ich will Resultate, schließlich bezahle ich dafür. Ansonsten werde ich mich an oberster Stelle beschweren.‘ Die Eltern wollen Verhaltens­änderungen, obwohl sie ihr Kind selbst in den Kindergarten schicken. Der Junge hat den Kontakt zur Gruppe verloren, wie auch wir zu ihm. Die Eltern stellen Ansprüche, die nicht erfüllbar sind.
[24]

Eine Gemeinschaft definiert sich dadurch, dass sie moralische Werte hochhält, ihnen zustrebt und sie anerkennt. Diese Werte sind nicht beliebig austauschbar, wie der Relativismus uns weismachen will. Wenn ein Staat meint, Materialismus und Sozialismus seien höchste Ziele, so wird er diesem Streben nach Geld alles andere unterordnen. Wenn die öffentliche Meinung Kinder als Störfaktoren für die Selbst­verwirklichung der Frau erklärt, so werden sich die meisten diesen Werte anpassen. Sie setzen wenige Kinder in die Welt, gehen einer außerhäusigen Arbeit nach. Sie stärken ihr Selbstwertgefühl, indem sie sich der öffentlichen Meinung anpassen. Es gibt nur wenige starke Persönlichkeiten, sie sich außerhalb stellen.[24]





[1] Jürgen Borchert im Interview: „Familien werden ins Elend geknüppelt“, ARD am 10. April 2007
[2] a b c Gerd Habermann: Familien­politik ist Familien­zerstörung – Gastkommentar: Eltern werden abhängig vom Staat, Die Welt am 6. Mai 2006
[3] Gerd Habermann: „Drei Typen von Familien­politik“, 2007 HTML-Dokument Word-Dokument a) S. 5 b) S. 4 b) S. 4
[4] a b Kinderbetreuung: Wo der Osten weit vorne liegt, Stern am 19. Januar 2010; Kleinkinder-Betreuung: Es fehlen noch 320.000 Plätze, Stern am 3. Mai 2010
[5] Kinderbetreuung in Deutschland: Kinder ausländischer Eltern besuchen kaum Kitas, Stern am 10. März 2010
[6] Eigentlich ist das kein Gedicht, es gibt von dem Niemöller-Zitat auch keine schriftliche Quelle. Vielmehr gibt es verschiedene mündliche Varianten, die Niemöller durchaus je nach Zuhörerkreis abgewandelt hat: Was sagte Niemöller wirklich?
[7] Eigene Adaption des Niemöller-Zitats
[8] George Orwell, in: 1984
[9] Jürgen Borchert: Warum noch Familie?, Die Zeit 03/2002 (Das herrschende Sozial- und Familienrecht ist ein Produkt der Individualisierung)
[10] Jürgen Borchert, in: „Der Rahmen, er könnte vergoldet sein …“, Cicero am 6. Juli 2007; Erste Hilfe für Familien von Jürgen Borchert
[11] Jürgen Borchert: „Familien­förderung auf dem Prüfstand: Was für Familien wirklich getan wird“, Vortrag von Jürgen Borchert auf dem 2. Demografischen Fachkongress des Paritätischen Gesamtverbandes am 4.-5. März 2008 (Angeblich 184 Mrd. Euro Familienförderung.) PDF-Dokument
[12] Karl Albrecht Schachtschneider: „Rechtsproblem Familie“ HTML-Dokument PDF-Dokument S. 29f.
[13] Frauen­politik – Erfolgsbilanz mit Schönheitsfehlern, Spiegel am 21. Februar 2002 a) Gerhard Schröder anlässlich der Vereidigung des Bundeskabinetts im Oktober 1998 b) Darauf war Ministerin Christine Bergmann besonders stolz: „Jetzt ist klar: Gewalt ist keine private Angelegenheit mehr“, resümierte sie in einem Spiegel-Online-Gespräch. c) Ministerin Bergmann als Frauen­politikerin. d) Die Ministerin hat das „Gender-Mainstreaming“ ressort­übergreifend zum Zauberwort gemacht.
[14] Ein Streifzug durch die Familiengeschichte des Bundes, Die Süddeutsche am 15. Februar 2005 (Sozialrichter und Familienexperte Jürgen Borchert kommentiert die „zentralen familien­politischen Maßnahmen“ der Regierung seit Beginn der 14. Legislaturperiode 1998)
[15] Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Was ist Gender Mainstreaming?
[16] Gender und Schule: Gender im Unterricht; „Der Perlonstrumpf an einem Jungenbein bringt Schwung in die Koedukation“ PDF-Dokument PDF-Dokument
[17] Sachverständigenkommission der Bundes­regierung: 3. Familienbericht (1979) PDF-Dokument
[18] Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: 5. Familienbericht (1994), Einleitung S. IV HTML-Dokument PDF-Dokument
[19] Karin Jäckel: „Kommentar zur Gleich­stellungs­beauftragten in Goslar“ PDF-Dokument
[20] Dr. Konrad Adam: Notversorgung für alle, Freie Welt am 31. August 2009
[21] Dr. Konrad Adam: Staat oder Eltern?, Freie Welt am 12. Juli 2010
[22] Die Welt am 8. Februar 2005, S. 4
[23] Frankfurter Allgemeine Zeitung am 30. Oktober 2001: Nr. 252, S. 1
[24] Holger Bertrand Flöttmann: „Steuerrecht des Lebens“, Novum-Verlag 2006, ISBN 3-902514-53-1 a) S. 107f. b) S. 109f. c) S. 110 d) S. 110-112 e) S. 114ff. f) S. 116/117
[25] Frankfurter Allgemeine Zeitung am 30. September 2004: Nr. 228, S. 7
[26] Die Welt am 6. Oktober 2004: Nr. 234-41, S. 1